Oulaya Amamra in „Divertimento – Ein Orchester für alle“

Filmkritik zu "Divertimento - Ein Orchester für alle": Das Überwinden von Grenzen

Eine junge Frau nordafrikanischer Herkunft möchte Dirigentin werden und dringt in eine Männerdomäne ein

Von Gabriele Flossmann

Die Geschichte nimmt ihren Anfang im Jahr 1985: Es ist ein reiner Zufall, dass die siebenjährige Zahia eines Tages gemeinsam mit ihren Eltern ein klassisches Konzert im Fernsehen sieht. Sergiu Celibidache dirigiert den „Bolero“ von Maurice Ravel.

Für Zahia ein einschneidendes Erlebnis: Auf einmal wird jedes Geräusch, jeder Lärm rund um sie zum Teil eines großen Orchesters. Der Rhythmus des Straßenlärms, die Tempi und der Sound der Metro formen sich in ihren Ohren zur Großstadt-Rhapsodie. Zahias Zwillingsschwester Fettouma spielt Cello und gilt daher als musikalische Talent der Familie. Doch Zahia will plötzlich mehr als „nur“ ein Instrument spielen. Sie will ein ganzes Orchester nach ihrer Pfeife tanzen lassen. Oder besser gesagt: nach ihrem Taktstock. Sie möchte Dirigentin werden – so gut wie Sergiu Celibidache.

Ein paar Jahre später feiert Fettouma als junge Cellistin bereits einen Erfolg nach dem anderen, doch Zahia hat es deutlich schwerer. Am Konservatorium wird sie weder von den Lehrkräften noch von Kolleg*innen als künftige Orchesterleiterin akzeptiert. Aber auch ihre nordafrikanische Herkunft und ihr sozialer Background machen es ihr schwer, sich zu behaupten. Sie kommt aus einer der multikulturell geprägten Vorstädte von Paris, und gehört – anders als die meisten ihrer Mitstudierenden – nicht der Oberschicht an. Dass Zahia noch dazu das einzige Mädchen ist, das den Taktstock schwingen will, ist auch nicht gerade hilfreich. Ist doch das Dirigieren immer noch eine Männerdomäne.

"Divertimento - Ein Orchester für alle"

©Panda/Alamode

Dieser Meinung ist übrigens auch Sergiu Celibidache (verblüffend ähnlich: Niels Arestrup), dem Zahia während eines Konzerts begegnet. Er hält nichts davon, dass nun auch Frauen den Dirigentenstab in die Hand nehmen wollen. Trotz seiner Vorbehalte erkennt Celibidache ihr Talent und wird für eineinhalb Jahre Zahias Lehrer. Für sie eine fordernde Zeit, mit vielen Verletzungen und Demütigungen. Wie Zahia dann doch eine erfolgreiche Dirigentin wird und ihr Leben Kindern und Jugendlichen widmet, die – so wie sie selbst – aus Einwandererfamilien kommen und in eher prekären Verhältnissen aufwachsen, das ist das zentrale Thema dieses Films, in dem es nicht nur um schöne Musik, sondern auch um die Überwindung von Grenzen geht.
 

INFO: F 2022. 110 Min. Von Marie-Castille Mention-Schaar. Mit Oulaya Amamra, Lina El Arabi.

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