Die Emoji-Falle: Wenn ein Zwinker-Smiley peinlich wird

Ein neues Emoji sorgt für Aufsehen: Heuer erscheint ein Gesicht mit Augenringen. Warum die Symbole beliebt sind, und das Zwinker-Smiley anrüchig sein kann.

Ob Nachteulen, Eltern oder einfach nur Menschen mit chronischem Koffeinmangel: das neue Augenringe-Emoji ist für all jene da, die zu wenig schlafen, zu viel arbeiten oder partymäßig aufs Gaspedal steigen. Oder schlichtweg existieren. Dunkle Schatten unter den Augen, ein resignierter Blick: Dieses kleine Gesicht bringt es auf den Punkt. Kurz gesagt, wir sind alle müde.

Das neue Emoji soll im ersten Quartal 2025 erscheinen – und könnte gut und gerne einige Klassiker ablösen.

Die Vorfreude scheint enorm. Laut Abstimmung der Emoji-Referenzseite Emojipedia.org ist dieses ausgelaugt aussehende Gesicht das meist erwartete Emoji in diesem Jahr. Vor einem Farbklecks und einer Schaufel. Was immer man damit ausdrücken will.

Ein Smiley, das müde aussieht und Ringe unter den Augen hat

Wird das müde Emoji mit den Augenringen der neue Hit?

©Emojipedia

Dass so ein Befindlichkeitsausdruck mehr Wirkung hat als ein Gegenstand wie eine Schaufel, liegt auf der Hand. "Die Gesichts-Emojis sind die am häufigsten verwendeten. Es gibt inzwischen fast 4.000 Emojis, aber nur etwa 100 davon zeigen Gesichter. Am meisten genutzt werden die positiven, insbesondere lachende Smileys. Egal in welcher Sprache, das Tränen lachende Emoji ist seit langer Zeit das am häufigsten verwendete. Dazu kommen einige Herzen und der 'Daumen hoch'", sagt Tatjana Scheffler

Sie ist Sprachwissenschaftlerin und Professorin am Germanistischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Gemeinsam mit dem Psychiater Ivan Nenchev von der Berliner Charité veröffentlichte sie eine Studie, für die Personen von 18 bis 70 Jahren befragt wurden, wie sie Gesichts-Emojis verwenden und wahrnehmen.

Das Emoji "Daumen hoch" ist etwas für Boomer

Denn nicht jedes Emoji kommt überall gleich an: "Das hängt von den Gruppen oder Orten ab, in denen man sich bewegt." Auf Plattformen wie X werden lachende Emojis auch verwendet, um sich über etwas lustig zu machen. Ein anderes Beispiel für die unterschiedliche Verwendung ist der "Daumen hoch". "Laut unseren jungen Versuchspersonen gilt es als das typische Papa-Emoji. Das benutzen vor allem die mittelalten bis älteren Generationen."

Beliebte Emojis

"Emoji" stammt aus dem Japanischen und bedeutet Bildschriftzeichen. Diese zählen laut der Emoji-Referenzseite Emojipedia.org zu den erfolgreichsten Symbolen 

  • 😉 Zwinkerndes Gesicht: Für Witze oder fürs Flirten. Kann ironisch oder anzüglich sein 
  • 😂 Mit Freudentränen: Lustig und erfreulich. Das beliebteste Emoji auf allen Plattformen 
  • 🙏 Gefaltete Hände: Bitte und danke im asiatischen Raum. Im Westen auch beten 
  • ❤️ Rotes Herz: Nicht nur für Liebe und Romantik, auch Ersatz für "Daumen hoch" 
  • 😭Weinendes Gesicht: Ausdruck für Trauer, aber auch für überwältigende Freude

Die jüngeren verteilen hingegen mehr Liebe, zumindest optisch: "Emojis werden häufig zur Beziehungsgestaltung eingesetzt. Sie helfen gleichrangigen Personen, sich zu vergewissern, dass sie in einer persönlichen Beziehung miteinander kommunizieren“, sagt Scheffler. Herzchen unterstreichen diese positive Beziehung und Bestärkung sogar noch besser als ein "Daumen hoch". Der signalisiert eher Distanz.

"Bei den Jüngeren hat das Zwinker-Emoji eine erotische Bedeutung – und kann sehr merkwürdig wirken."

Tatjana Scheffler Linguistin

Nicht jedes Emoji bedeutet für alle dasselbe – und wer es falsch einsetzt, kann schneller ins Fettnäpfchen treten, als man zur Rettung ein Smiley mit zugeklebtem Mund nachschießen kann.

Winker-Emoji ist erotisch bis merkwürdig

Die Generationsunterschiede können eklatant sein: "Bei den Älteren steht das Zwinkersmiley für eine witzige Bemerkung und ist sehr beliebt." Womöglich, weil sie es schon bei den Emoticons aus Strichpunkt und Klammer als Ironie-Symbol eingesetzt haben. "Bei den Jüngeren hat das hingegen eine erotische Bedeutung – und kann sehr merkwürdig wirken."

Auch das klassische leicht lächelnde Emoji hat es bei der Gen Z schwer: "Wo ältere Menschen noch Freundlichkeit sehen, wirkt es auf viele Jüngere distanziert, innerlich leer oder sogar passiv-aggressiv", erklärt die Linguistin. Wenn etwas wirklich lustig ist, verwendet die junge Generation das tränenlachendes Emoji oder ein Äffchen, das sich die Augen zuhält.

Doch nicht nur zwischen den Generationen gibt es Unterschiede – auch innerhalb bestimmter Gruppen entwickeln sich ganz eigene Emoji-Codes: "Oft sind verwendete Emojis auch Insider-Witze. Dann kann auch der Kackhaufen positiv verstanden werden, denn der lächelt ja. Wenn so etwas über die Gruppe hinausgeht, wird es mitunter nicht sofort verstanden."

Neben Alter oder Zugehörigkeit spielt noch etwas eine Rolle: Auch zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede. Auffällig ist: Frauen, insbesondere jüngere, nutzen deutlich mehr Emojis als Männer. Für die Sprachwissenschaftlerin wenig überraschend. "Junge Frauen sind immer Treiberinnen des Sprachwandels", sagt Scheffler. "Wenn neue Phänomene auftauchen, sind sie meist die ersten, die sie übernehmen."

Darum verwenden Menschen Emojis

Aber wozu eigentlich das Emoji-Tamtam?

"Wenn wir Menschen fragen, warum sie Emojis nutzen, antworten sie oft, dass sie die Kommunikation erleichtern", erklärt Scheffler. Vor allem helfen sie dabei, Emotionen zu transportieren. "Aus Studien wissen wir, dass es in digitaler Kommunikation enorm wichtig ist, Nähe herzustellen." Und wenn in einer privaten Nachricht plötzlich kein Emoji mehr auftaucht, schrillen schnell die Alarmglocken: "Was ist dir für eine Laus über die Leber gelaufen?" Oder: "Habe ich irgendwas gemacht?"

Menschen erwarten Emojis, weil sie Dinge ausdrücken, die schwer in Worte zu fassen sind. "Diese Mittel haben uns vorher gefehlt", sagt Scheffler. "Sie füllen eine kommunikative Lücke und übernehmen Funktionen, die nur schwer zu ersetzen sind. Genau das macht ihren Reiz aus."

Emojis haben diese Wörter verdrängt

Und dazu sind sie wohl sehr langlebig. "Sie sind sehr gut etabliert und nur schwer ersetzbar", sagt Scheffler. Doch gleichzeitig haben sie selbst andere Phänomene verdrängt – nicht nur die klassischen Emoticons aus Doppelpunkt und Klammer, sondern auch bestimmte nicht standardisierte Schreibweisen. "Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an Wörter zwischen Sternchen, wie *seufz* oder *grins*. Diese sogenannten Inflektive sind inzwischen nahezu vollständig verschwunden."

Doch jetzt kommt erst einmal das müde Gesicht mit den großen Tränensäcken. Mal sehen, ob auch das unterschiedlich eingesetzt wird.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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