Kritik

"Die Gabe" auf Amazon: Stromschläge gegen das Patriarchat

Frauen mit elektrisierenden Fähigkeiten stellen in der neuen Serie mit Toni Collette die Welt auf den Kopf.

Wie würde die Welt aussehen, wenn Frauen Männern körperlich überlegen wären? Darum geht es im Science-Fiction-Roman „Die Gabe“ (englischer Titel „The Power“) der britischen Autorin Naomi Alderman. In ihrem Buch von 2016 entdecken junge Frauen rund um den Globus, dass sie Stromstöße verteilen können – und bekommen dadurch bisher ungekannte Macht.

Amazon hat den Stoff nun als neunteilige Serie adaptiert. Toni Collette spielt darin eine US-Politikerin, die nicht nur mit ihrer plötzlich über elektrisierende Fähigkeiten verfügenden Tochter zurechtkommen muss, sondern als Verantwortungsträgerin auch mit der sich wandelnden Realität. Denn auf sexistische Bemerkungen, Ungerechtigkeiten oder Übergriffe haben Frauen nun eine wirkungsvolle, mitunter tödliche Antwort.

Wie so oft in Serien würde man sich wünschen, gleich an dem Punkt in die Handlung einsteigen zu können, der schon aus der Inhaltsangabe bekannt ist - oder zumindest etwas vorspulen zu können. 

Die Serie nimmt sich viel Zeit und verteilt diese auf mehrere Schauplätze, die jedoch durchaus Sogwirkung haben. Die junge Allie (Halle Bush) leidet unter ihren religiösen Pflegeeltern. In London versucht sich Roxy (Ria Zmitrowicz) gegen ihren kriminellen Vater durchzusetzen. Der nigerianische Journalist Tunde (Toheeb Jimoh) sorgt mit einem Video zur Causa für Aufsehen. Und Tatiana (Zrinka Cvitesic) lehnt sich gegen ihren Ehemann, einen osteuropäischen Politiker auf - eine recht klischeehafte Zeichnung.

Insgesamt ist die Serie ein spannendes Gedankenexperiment. Wie mit den Mädchen nach Aufkommen der ersten Gerüchte umgegangen wird, wirkt plausibel. Die Angst vor dem Fremden lässt einige Politiker schnell von radikalen Maßnahmen fantasieren. Anspielungen auf die Gegenwart, etwa auf die Abtreibungsgesetze in den USA, sind offensichtlich. Fraglich bleibt jedoch, inwieweit das Verharren in den Kategorien Mann und Frau zeitgemäß ist.

Nina Oberbucher

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