Sind eure Ohren auf Durchzug? Warum wir Unterschiedliches hören
Die einen hören nur Negatives, andere haben ihre Ohren nicht dort, wo sie sein sollten. Woran liegt das?
Eine spannende Geschichte, die ein Freund da in einer geselligen Lokalrunde erzählt. Man ist ganz Ohr, doch plötzlich nimmt man vom Nebentisch Wortfetzen wahr: „Du glaubst es nicht … er hat … sie hat … unglaublich …“ Die Ablenkung erfasst einen prompt, ohne dass man sich dessen gleich bewusst ist.
Psychologe Matthias Schmidinger kann dieses Phänomen erklären: „Es ist schon erstaunlich, man schaut dem anderen ins Gesicht, als hörte man zu, aber die Stimme vom Nebentisch dringt wie beim Radio, das plötzlich die Frequenz wechselt und sich lauter stellt, direkt ans eigene Ohr.“ Schuld daran sei das Gehirn, das ohne dass wir es merken sofort auf Reize anspringt, die Regie übernimmt und das Gehörte einsortiert. Kein Wunder, dass da manches nur lückenhaft erfasst wird und die Nachbesprechung völlig verschiedene Versionen des Abends liefert.
„Es ist normal, dass jeder Mensch anders auf Signale und Wörter reagiert“, so Schmidinger. Das habe mit der kulturellen Prägung zu tun, mit individuellen Erfahrungen und mit dem, was einem im Leben gerade wichtig ist. Woran liegt es aber, dass Gesagtes oft unterschiedlich bei Zuhörern ankommt, es gar von einigen positiv und anderen negativ empfunden wird? „Die meisten Menschen hören eher das, was ihnen gefährlich werden könnte“, erklärt der Psychologe. Und verweist auf die Evolution; seien wir doch eher darauf geschult, den Säbelzahntiger als die schöne Blumenwiese wahrzunehmen.
Außerdem haben wir oft festgefahrene Ansichten und nehmen nur auf, was dazu passt. Dazu kommt, dass nicht wenige Menschen „Overtalker“ sind. Overtalker geben gerne Ratschläge, auch ungefragt, halten viel von der eigenen Meinung und lauschen nur, um bei erstbester Gelegenheit einzuhaken. Den Worten anderer aufmerksam zu folgen, hat da kaum Raum.
Matthias Schmidinger meint, es wäre ganz schön, wenn wir es machten wie die Kinder. „Sie sind gute Zuhörer, weil sie mehr im Moment leben, offen für das Außen sind und sich ohne Vorurteile auf die Welt einlassen.“ Zuhören funktioniert nämlich nicht nebenbei, es braucht dafür alle Sinne.
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