Wann Nachhilfe nötig ist und was sie erfolgreich macht

Viele Kinder schaffen die Schule nicht mehr ohne Hilfe. Lerncoach Niels Cimpa über gute Nachhilfe und was Schülerinnen und Schülern jetzt besonders hilft.

Nachhilfe boomt: 37 Prozent aller Schülerinnen und Schüler haben im vergangenen Schuljahr Nachhilfe in Anspruch genommen, wie eine Auswertung der Arbeiterkammer gezeigt hat.

Auch der Erfolg des österreichischen Start-ups Go Student verdeutlicht, dass Nachhilfe gefragt ist wie nie. Kein Wunder: Seit zwei Jahren findet kaum noch „normaler“ Unterricht statt. Dass da viele nicht mehr mitkommen, wundert den Lerncoach Niels Cimpa (lerncoaching-wien.at) nicht: „Vielen hat während des Lockdowns die Begleitung gefehlt und sie haben externe Hilfe gesucht. Den jungen Menschen wurde plötzlich mehr Eigenständigkeit gegeben, ohne dass man ihnen zuvor beigebracht hat, wie man selbstständig lernt.“

Doch ist immer gleich Nachhilfe nötig? „Die braucht es dann, wenn ein Schüler in ein, zwei Fächern den Anschluss verloren hat. Das merkt man an den Noten oder daran, dass Schüler Probleme haben, Hausübungen zu verstehen“, erklärt Niels Cimpa.

Schwer zu motivieren

Hat ein Kind hingegen eher Probleme, sich zu strukturieren, zu organisieren und sich zu motivieren, helfe eher ein Lerncoach. Der kann auch unterstützen, wenn Jugendliche den Stoff zwar verstanden haben, aber bei den Prüfungen immer wieder durchfallen.

Egal, ob Lerncoach oder Nachhilfe: „Wenn diese erfolgreich sein wollen, ist die wichtigste Voraussetzung, dass die Chemie zwischen Schüler und Lehrer stimmt.“

Schließlich muss die Nachhilfe ein guter Motivator sein: „Denn die meisten Kinder und Jugendlichen gehen nicht gerne zur Nachhilfe“, weiß der Coach aus der Praxis. Die Lust aufs nachmittägliche Lernen wird oft dadurch getrübt, dass damit der Tag verplant ist. „Ein Schüler musste z. B. dreimal wöchentlich zur Nachhilfe – zwei Stunden nach der Schule. Danach war der Tag gelaufen. Doch nur, wenn die Nachhilfe gut in den Alltag integriert ist, wird sich das Kind nicht dagegen sträuben.“

Nach zehn Stunden

Wie erfolgreich die Nachhilfe ist, sehe man meist recht schnell, sagt Cimpa: „Nach zehn Stunden kann man in der Regel feststellen, ob das Kind immer noch die gleichen Probleme hat – außer, es gibt große Lücken.“

Doch nicht immer ist Hilfe von außen nötig: Auch Eltern können eine Stütze sein. „Sie müssen nur darauf achten, dass das Kind freiwillig mit Ihnen lernt und dass Sie gut kommunizieren“, rät Cimpa den Eltern und nennt ein Beispiel: „Wenn die Mutter dem Kind vorwirft, dass es dauernd an der Konsole sitzt, obwohl es bis vor Kurzem gelernt hat, ist die Stimmung mies.“

Apropos Computerspiele: „Die vielen Ablenkungen und die mangelnde Struktur gehören zu den größten Hürden.“ Wer sich ständig am PC ablenken lässt, könne z. B. den Bildschirm auf Schwarz-Weiß-Modus stellen: „Da hat man keine so große Lust mehr zu spielen.“

Stundenplan machen

Struktur in den Tag könnte außerdem ein selbst erstellter Stundenplan bringen: „Da schreibt man rein, was man wann lernt“, schlägt Cimpa vor. „Das Erstaunliche: Die meisten Kinder halten sich daran und entwickeln so Lernrituale.“

Grundsätzlich hilft es Kindern, wenn sie sich selber Ziele setzen dürfen: „Sie entwickeln großen Ehrgeiz, wenn sie sagen können, welches Ergebnis sie in welchem Fach erreichen wollen“, erklärt der Lerncoach. Das könne etwa heißen, mit einem Vierer zu bestehen – auch das sei in Ordnung. „Hier sollen Eltern nicht zusätzlich Druck machen. Sonst assoziieren die Jugendlichen Schule mit Stress und mit weniger Zeit für Wichtiges wie Freunde. So entsteht eine Negativspirale, aus der man nicht so schnell herauskommt.“

Verfolgen Kinder Ziele und sehen, welche Fortschritte sie machen, motiviert sie das. Das sollten dann auch die Eltern wertschätzen. „Viele sagen nur, was nicht passt und loben ihr Kind zu wenig. So führt Lernen zu einer Schmerzvermeidungsstrategie. Hat ein Kind aber Erfolgserlebnisse, führt das zu Dopaminausschüttung im Gehirn – das motiviert.“

Hier gibt es Lernangebote

Wer Nachhilfe sucht, findet sie oft im Netz: Eine gratis Eins-zu-Eins-Nachhilfe für alle Fächer findet man österreichweit auf weiterlernen.at.

Über die Plattform meetnlearn.at erhält man kostenpflichtige Angebote. Darüber hinaus gibt es klassische Anbieter wie das Lernquadrat oder die Schülerhilfe.

Eine kostenlose Hausübungsbetreuung für sozial schwache Schüler bieten Caritas-Lerncafés, Lerntafeln oder das KURIER-Lernhaus.

Auch zahlreiche Online-Nachhilfe-Angebote gibt es. Eine App, mit der man sehr gut Vokabeln trainieren kann, ist zum Beispiel phase-6.de

Viele Schüler nutzen auch Erklärvideos. So haben etwa österreichische Mathematikstudentinnen und -studenten Videos zu fast allen Kapiteln gedreht, die in der Ober- und Unterstufe behandelt werden: mmf.univie.ac.at/materialien
Unterhaltsam sind die Videos des Physiklehrers Martin Apolin, der in „Apolins Universum“ die wichtigsten Kapitel seines Fachs vermittelt.

Ute Brühl

Über Ute Brühl

Meist schreibe ich über so ernste Dinge wie Schule und Wissenschaft. Daneben widme ich mich immer wieder den schönen und heiteren Dinge des Lebens - dem guten Essen oder dem Gärtnern zum Beispiel.

Kommentare