Mit Freude auf zwei Rädern unterwegs: So lernen Kinder Rad fahren
Verkehrsexperten beantworten die Fragen von Eltern. Sie kritisieren aber auch die fehlende Infrastruktur für sichere Ausfahrten.
Der Fahrradboom rollt und rollt. Er wird nun auch von den jüngsten Verkehrsteilnehmern verstärkt: Neben den E-Bikes verkaufen sich auch Kinderfahrräder sehr gut. Doch wann und wie sollen wir Kindern das Radfahren erlernen? Dafür gibt es keine fixen Regeln, aber es gibt gute Anhaltspunkte:
Wann ist es so weit?
„Die Neugierde für das Radfahren kann ab dem Zeitpunkt geweckt werden, ab dem Kinder gehen können.“ Erklärt Mathias Ihlenfeld. Der sollte es wissen. Er hat nicht nur seinen eigenen Kids Rad fahren gelernt. Er verkauft auch Fahrräder für Kinder, und das erfolgreich (siehe unten). Sinnvoll ist laut Ihlenfeld, in einem Umfeld zu beginnen, in dem andere Kinder bereits herumdüsen. „Durch die Beobachtung wird die Lust geweckt und auch gleich die Bewegung erlernt.“ Druck von den Eltern sei hingegen kontraproduktiv: „Kinder bestimmen am besten selbst, wann der Zeitpunkt gekommen ist, um loszulegen.“
Woom: Die Exportweltmeister aus Klosterneuburg
Drei Väter – ein Problem: „Wir konnten keine geeigneten Fahrräder für unsere Kinder finden“, erzählt der aus Frankfurt stammende Mathias Ihlenfeld. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Marcus und dem Wiener Designer Christian Bezdeka hat er daher selbst eines auf den Markt gebracht und damit eine Rakete gezündet.
Gingen die allerersten Räder noch an die eigenen Kinder sowie an die Kinder von Freunden und Bekannten, hat es von Start weg auch betriebswirtschaftlich „woom“ gemacht. Bis zum Vorjahr konnte das Trio 500.000 Kinderräder verkaufen, die meisten in Österreich, Deutschland, in der Schweiz und in den USA.
Seit Kurzem ist Mathias Ihlenfeld der alleinige Geschäftsführer der Firma. Doch der Erfolgslauf geht weiter: „Heuer wollen wir 500.000 Räder verkaufen.“ Im Windschatten des Marktführers aus Klosterneuburg bieten nun auch große Fahrrad-Hersteller eigene Modelle für Kinder an.
Ein Lauf- oder Dreirad?
„Mit Stützrädern gewöhnen sich Kinder eine falsche Fahrhaltung an“, warnt Lina Mosshammer, die Rad-Expertin beim Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Oft lehnen sie sich beim Kurvenfahren automatisch nach außen. „Laufräder hingegen sind ideal, um zu lernen, das Gleichgewicht zu halten.“ Die einfachen, aus Holz oder Metall gebauten Räder folgen dem Prinzip der alten Draisine: Wechselweise stoßen sich die Kinder mit den Füßen vom Boden ab, dadurch entwickeln sie die nötigen koordinativen Fähigkeiten und lernen, ihr Gleichgewicht zu halten. Dies hat beim Umstieg auf das Kinderrad Vorteile.
Apropos: Welches Rad?
Hannes Friedrich von der Radlobby Wien rät: „Wichtig ist die richtige Größe, um die Kinder motorisch nicht zu überfordern – auch wenn sie schnell wachsen.“ Die Bremsen sollten auf Kinderhände eingestellt und leichtgängig zu bedienen sein. Außerdem: „Ein Kinderrad darf nicht zu schwer sein. Jedes Kilo weniger schafft Erleichterung.“
Wo sollen wir starten?
„Im sicheren Umfeld, also abseits des Verkehrs“, so Lina Mosshammer vom VCÖ. Sie nennt Beispiele: „Im Innenhof einer Wohnhausanlage, im Park oder in einer Fußgängerzone.“
Wie sollen wir starten?
Anfangs ist das Losfahren schwierig. Statt das Kind zu schieben und zu führen, wird empfohlen, es leicht anzuschubsen, gerade so viel, dass das Rad anrollt. Durch den Impuls werden die angehenden Radfahrer ermutigt, selbst das Gleichgewicht zu halten und in die Pedale zu treten. Eine sanfte Neigung erleichtert das Losfahren.
Der erste Radausflug?
Bei der Benützung von Straßen und Radwegen sollten erwachsene Begleiter hinter dem Kind, etwas zur Straßenmitte versetzt, nachfahren. So haben sie ihren Nachwuchs gut im Auge und können rechtzeitig Hinweise zum Fahrverhalten oder zur Richtungsänderung geben.
Apropos Ausfahrt
„Es hilft uns das sicherste Kinderfahrrad nichts, wenn die Infrastruktur für Kinder nicht sicher ist“, appelliert Hannes Friedrich an Politik und an die Öffentlichkeit. „Wir brauchen nicht nur in den österreichischen Städten mehr und sicherere Radwege.“, Woom-Geschäftsführer Mathias Ihlenfeld fügt hinzu: „Die Wege zur Schule, zur Arbeit und zum Einkaufen sollten auch auf dem Land in naher Zukunft nicht mehr lebensgefährlich sein.“
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