Getestet: Was kann der Airbag für Radfahrer?

Halskrause statt Helm: Der „Hövding 3“ verspricht Kopf- und Nacken-Sicherheit. In der Praxis kann er das aber nur zum Teil einhalten.

Stellen Sie sich vor, Sie hängen sich eine Radkette mit eingebauter Batterie und einem Sensor um Ihren Hals: Der Airbag für Radler, entwickelt von zwei Industriedesign-Studenten in Südschweden, hat genau diese Anmutung.

Ein Geschmeide ist er also nicht, der "Hövding 3". Und dennoch ist er einen Versuch wert, angesichts der steigenden Anzahl an Unfällen von und mit Radfahrenden. Und der vom ÖAMTC aufgezeigten Tatsache, dass zwei Drittel der Radler in Österreichs Landeshauptstädten keinen Helm tragen.

Jetzt getestet im Alltag

Ich habe die Alternative zum Radhelm ein paar Tage lang selbst getestet, auf den Alltagswegen mit meinem Fahrrad. Restlos überzeugt hat sie mich nicht. Hier meine persönlichen Erfahrungen:

©Uwe Mauch

Für das Gewicht verantwortlich ist ein Sensor und eine Batterie. Der Sensor soll den Airbag auslösen, wenn bei einem Sturz für den Kopf akute Gefahr besteht.

Für alle, die gerne noch mehr High-Tech haben möchten, eine Freude. Via Bluetooth ist auch eine Kopplung mit dem Smartphone möglich. Für alle anderen ein zusätzlicher Zeitfresser. Denn ohne eingehende Beschäftigung geht auch hier wenig.

©Hövding

Vor dem Losfahren zeigt sich: Jetzt, in der etwas kühleren Jahreszeit, ist dieser Airbag im Verbund mit all den anderen Utensilien (Handschuhe, Hosenbein-Klammern usw.) nur eine weitere Komponente, auf die man nicht vergessen darf.

Immerhin, nach dem Wegfahren vergisst man bald einmal auf seine Halskrause. Spätestens nach zehn Minuten Fahrt wird allerdings klar: dass es unter dem Kunststoff leicht zu dampfen beginnt. Nicht vorstellen will man sich, wie im Hochsommer zusätzlich Schweiß zu treiben beginnt.

Andererseits: Für alle, die gesteigerten Wert auf ihre Frisur legen, könnte dieses System von besonderem Interesse sein.

©Hövding

Die entscheidende Frage

Geht der Airbag bei einem Sturz auch tatsächlich auf? Das ist hier die entscheidende Frage. Auf diese Frage kann der Tester nur bedingt antworten. Denn bei seinen Radfahrten bestand dazu dankenswerter keine Notwendigkeit. Und so sehr liebt er seinen Beruf nun auch wieder nicht, dass er sich freiwillig irgendwo in der Botanik eingebaut hätte.

Er hat aber die Studien des Herstellers auf der einen und des ADAC auf der anderen Seite genau durchgelesen. Und kann daraus schon etwas ableiten.

©Hövding

Beim Hersteller Hövding zitiert man gerne eine Studie der Stanford University, derzufolge der Airbag für Radfahrende acht Mal sicherer wäre als ein Fahrradhelm. Dank seiner Technologie würde er bei einem Unfall in 0,1 Sekunden auslösen und dann sowohl Hals als auch Nacken vor schwerwiegenden Verletzungen schützen.

Die Tester des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs, kurz ADAC, sind deutlich weniger optimistisch. Sie kommen zu dem Schluss: „Der Hövding 3 löst bei einem Dooring-Unfall (Tür eines parkenden Autos öffnet sich unverhofft; Anm.) schnell und zuverlässig aus. Aber der Airbag-Helm ist schwer, teuer und schützt nicht bei jedem Unfallszenario.“ Bei einem Crash mit einer Lkw-Tür oder einem Lkw-Spiegel etwa würde einem ein Radhelm mehr helfen.

Apropos teuer: Der „Hövding 3“ kostet rund 330 Euro.

Persönliches Fazit: Gut gedacht, vor allem punkto mehr Sicherheit, aber hinsichtlich des Tragekomforts (noch) nicht perfekt umgesetzt. Preis und Batterie dürfen gerne noch ein bisschen schrumpfen. Mehr Infos zum Produkt hier.

Uwe Mauch

Über Uwe Mauch

Uwe Mauch, geboren 1966 in Wien, seit 1995 Redakteur beim KURIER, Autor lebensnaher Porträts und Reportagen sowie zahlreicher Bücher, unter anderem: "Unsere Nachbarn", "Wien und der Fußball", "Lokalmatadore", "In 80 Arbeitstagen um die Welt", "Stiege 8/Tür 7. Homestorys aus dem Wiener Gemeindebau", "Die Armen von Wien" (2016) sowie eines "Wien"- und eines "Zagreb"-Stadtführers.

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