Warum stellen sich viele Flugreisende immer so nah ans Gepäckband?
Kaum aus dem Flugzeug gestiegen, hetzen die Menschen mit der Mission zum Gepäckband, ganz nah an diesem zu stehen. Doch warum?
Österreich und seine Schimpfwörter. Wappler. Funzn. Hiafla. Die deftigeren Injurien lassen wir an dieser Stelle ungesagt. Sie erklären sich meist von selbst. (Okay, der Scheißheislkaktus eventuell nicht). Aber der Surm? Der Bleampl? Die Schastrommel? Anders als ihre Anwendung bleibt ihre Herkunft uns meist verborgen. Das gilt auch für ihn: den Koffer.
Ein Trottel also, auf gut Deutsch. Aber ist der Koffer tatsächlich vom arabischen „Kafir“, dem „Ungläubigen“, abgeleitet? Manch einer soll sich ja fragen, ob sich nicht jemand versucht fühlte, den Koffer zum Schimpfwort zu machen, weil er Reisende beim Gepäckband nach einem Flug beobachtet hat. Kaum ist dieser vorüber, hetzen viele zum Förderband, als würde den ersten, der dort einlangt, ein Preis erwarten.
Ein erkämpfter Zeitvorsprung, der kaum Vorteile verspricht, weil sich ohnehin alle dort versammeln müssen und die Koffer in nicht vorhersehbarer Reihenfolge am Band landen. Dann wieder warten viele so nah am Band, als stünden sie in der ersten Reihe beim Harry-Styles-Konzert. Dabei behindern sie alle anderen Reisenden, die so kaum Chancen haben, ihre Koffer zu sehen und problemlos entgegenzunehmen.
Nicht in Ruhe warten zu können verortet Psychologin Eva Tesar als westliches Phänomen. „Warten ist in Europa als unangenehm besetzt. Wir wollen keine Zeit verschwenden. Bei uns gilt: Zeit ist Geld.“
Der Wetteifer, stets Erster sein zu wollen, zeigt sich bereits früh. Kinder sind kaum willens, zu warten. Tesar führt das „Marshmallow-Experiment“ von Walter Mischel an. Vier Jahre alten Kindern wurde Süßes vorgesetzt. Sie hatten die Wahl, 15 Minuten zu warten und dann die doppelte Portion zu bekommen. Oder die Leckerei sofort zu verputzen. Wer sich für den Belohnungsaufschub entschied, hatte später mehr Erfolg im Leben. Sozial, emotional und was die schulische Leistung betrifft. Nicht warten zu wollen hat einerseits mit archaischer Impulsivität zu tun. Andererseits ist es sozial geprägt, etwa wenn Eltern starken Wetteifer vorleben. Und diesen Leistungswillen fällt es dann eben auch schwer, im Urlaub abzulegen.
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