Elternsorge: Ist mein Kind schon süchtig nach Computerspielen?
Die Sorge ist oft größer als das Problem, sagt Medienpädagoge Meschik. Dennoch sollte man Kinder nicht unendlich spielen lassen.
Markus Meschik ist Medienpädagoge und kennt die Sorgen vieler Eltern – schließlich kommen sie immer dann zu ihm in die Beratungsstelle von „Enter“, wenn sie befürchten, dass ihr Kind in die Computerspielsucht abgerutscht ist. „Es sind oft Mütter, die sich um ihre Burschen sorgen“, weiß er aus Erfahrung.
Meist kann er die Eltern beruhigen: Die Sorge, dass ein Jugendlicher wirklich süchtig ist, sei meist größer als das tatsächliche Problem: „Game-süchtig sind in Österreich nur ein bis zwei Prozent“, stellt er fest. „Wenn ein Kind ein paar Wochen hintereinander sehr lang am Bildschirm sitzt, heißt das noch lange nicht, dass es süchtig ist.“ Überhaupt komme der Begriff „süchtig“ vielen allzu leicht über die Lippen.
Drei Kriterien
Was Computerspielsucht ist, das hat die Weltgesundheitsorganisation WHO erst vor Kurzem definiert: Von „Gaming Disorder“ spricht man in der Psychologie erst dann, wenn drei Kriterien über zwölf Monate erfüllt sind: „Das Kind interessiert sich für nichts anderes mehr und hat auch keine Lust auf andere Aktivitäten. Es erleidet zudem einen Kontrollverlust und spielt ständig mehr, als es sich vorgenommen hat. Und es nimmt negative Konsequenzen seiner Sucht in Kauf“, erläutert Meschik.
Die Alarmglocken sollten dann schrillen, wenn das Fußballtraining oder der Spaziergang mit dem Hund – Aktivitäten, die der Jugendliche einst mit Begeisterung gemacht hat – plötzlich uninteressant werden. Auch wenn Eltern den Eindruck haben, dass ihr Kind nur deshalb spielt, um sich dauerhaft von negativen Gefühlen abzulenken, sollten sie gegensteuern. Denn wenn ein Kind sich nur deshalb an den PC setzt, ist die Gefahr, in die Sucht abzugleiten, größer.
So bewahren Sie ihr Kind vor der Sucht
Doch so weit sollten es Eltern erst gar nicht kommen lassen. Mütter und Väter können nämlich einiges tun, um ihren Nachwuchs vor der Sucht zu bewahren. „Das Wichtigste ist, überhaupt Regeln zu setzen – welche das sind, ist nicht so wichtig. Regeln signalisieren dem Kind nämlich, dass man ein Auge darauf hat, wie viel es am Bildschirm sitzt und dass man es begleitet.“
Mit technologischen Hilfsmitteln wie der App Family-Link von Google können Eltern kontrollieren, wie lange Jugendliche im Netz sind: Wenn sie solche Mittel einsetzen, sollten Eltern das immer transparent machen: „Machen sie dem Kind klar, dass es dabei nicht um Überwachung geht, sondern darum, dass man es begleiten will“, sagt Meschik.
Nicht nur ein zu langes Gamen, auch die falschen Spiele können Kinder aufwühlen. Wenn sie eine Stunde, nachdem sie den Computer heruntergefahren haben, immer noch aufgewühlt sind, dann sollten Eltern reagieren: Die einfachste und zugleich für viele Eltern schwierigste Lösung sei hier, dass sie gemeinsam mit dem Sohn oder der Tochter das Game spielen. Das hat laut Meschik mehrere Vorteile: „Der junge Mensch kann sich als Experte zeigen, indem er den Erwachsenen erklärt, wie das Spiel funktioniert. Und es hat das Gefühl, dass die Eltern Interesse an dem haben, was man tut. Diese bekommen so zugleich einen Einblick in das, was das Kind tut.“
Konsequenzen
Doch was tun, wenn sich Kinder nicht an Regeln halten? „Dann muss es Konsequenzen geben“, sagt Meschik. Welche das sind, müsse jede Familie für sich ausmachen: „Das kann etwa sein, dass es zwei Tage keine Games gibt.“ Und er fügt hinzu: „Die Eltern müssen ihr Kind dann auch aushalten.“ Der PC als Beruhigungspille – das ist dann passé.
Davon, Vielspielern diese Aktivität alternativlos zu verbieten, hält der Pädagoge übrigens wenig. „Das kann sogar fahrlässig sein, wenn man ihm keine Alternativen anbietet.“ Überhaupt solle man den Kindern immer ein attraktives Ersatzprogramm anbieten, wenn man Spiele verbietet – das kann etwas Lustiges, Aufregendes sein, ebenso ein Ausflug oder ein Brettspiel. Das Kind darf das Angebot aber auch ablehnen dürfen.
Im Hinterkopf sollten Erwachsene dabei immer haben, wie viele Bedürfnisse so ein Computerspiel befriedigen kann – soziale Anerkennung, Status bei Freunden oder die Ablenkung von negativen Gefühlen. Diese Bedürfnisse müssen anderweitig befriedigt werden, wenn das Kind nicht spielen darf.
Keine Generation von Computer-Süchtigen
Grundsätzlich vertraut Meschik den Jugendlichen. Ihn stört vielmehr der unterschwellige Vorwurf der Erwachsenen, dass junge Menschen zu viel am Computer säßen: „Die Jungen werden nicht die große Suchtgeneration sein – das bezweifele ich. Sie sind selbstständig in der Lage, mit dem Thema umzugehen – und sie nützen die neuen Medien anders als frühere Generationen, etwa um sich politisch weiterzubilden“, sagte er nach einem Jugend-Workshop der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Daran hat auch die Pandemie nichts geändert. „Sicher saßen die Jugendlichen mehr am PC. Aber den Kindern daraus einen Vorwurf zu machen, ist vermessen. Sie haben doch genau das gemacht, was wir sie gebeten haben – nämlich Kontakte einzuschränken und auf Ältere aufzupassen. Genau das haben sie gemacht.“
Jetzt sei es für manche schwer, wieder in alte Strukturen zurückzufinden. Wobei hier Kinder, deren Eltern während der Pandemie Zeit für sie hatten und Struktur geben konnten, sicher im Vorteil sind. Sein Appell an die Erwachsenen: „Reflektieren Sie ihren eigenen Medienkonsum. Kinder lernen von ihren Eltern.“
Hier können sich Eltern und Kinder Rat holen
Sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für ihre Eltern gibt es einige Stellen, die ihnen helfend zur Seite stehen, wenn es um den Umgang mit Videospielen und Computersucht geht.
Enter: Die Beratungsstelle mit Sitz in Graz bietet Workshops für Jugendliche sowie für Eltern und Fachkräfte an, auch Einzelberatungen sind möglich. Informationen: fachstelle-enter.at
Safer Internet: Workshops, Beratungen und Tipps auf der Homepage, in denen die Fragen rund um Themen wie Risiken des Internets oder Kostenfallen beim Gamen beantwortet werden. Auch einen Leitfaden zur Verwendung der App Google Family Links gibt es: saferinternet.at
Mediensuchtambulanz der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien. Sie bietet Hilfe bei exzessiver Nutzung von Internet (Computerspiele, Social Networks, Internetpornografie, Glücksspiel, etc.) und anderen digitalen Medien – samt Folder als PDF zum Downloaden. Angebote richten sich an Erwachsene und Jugendliche Details: ambulanz.sfu.ac.at
Anton-Proksch-Institut: Diagnose und Therapie der Internet- und Gamingsucht, ebenso Informationen rund um das Thema für Betroffene und Angehörige zum Download. api.or.at
Rat auf Draht: Tipps und Beratung für Kinder und Jugendliche zum Thema. Info: rataufdraht.at
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