Kämpfende Hengste im Rauristal und wie der Wanderherbst wird
Im Herbst ist der Wald so bunt wie das Programm. Die Berge bieten bei stabilem Wetter allerlei. Und die Norikerhengste steigen ab.
Schaumrollen, Kuchenbuffet, Stände mit Pferdezubehör, Stofftierverkauf, Bierhütten, Musik und Grillgeruch. Es ist 9 Uhr an einem Samstag Ende Juni in Bucheben im Rauriser Tal. Die Art des Events ist auf den ersten Blick schwer einzuordnen, eine Mischung aus Rummelplatz mit Volksfestcharakter. Während wohl die meisten Menschen um diese Uhrzeit noch bei Kaffee und Semmel zusammen sitzen (oder schlafen), ist die Situation hier, rund um das Alpengasthaus Bodenhaus, eine andere.
Die kühle Luft hat viele der Schaulustigen schon munter gemacht. Seit Tagen herrscht Regenwetter, aber die angereisten – um die dreitausend Personen – sind gerüstet. Schnell ist klar, die besten Plätze mit Blick auf die eingezäunte Weidekoppel sind am Berghang unter Bäumen. Flink stellen einige ihre mitgebrachten Campingstühle auf. Ein heißes Getränk dampft in den Thermosbechern. Der ein oder andere Frühschopper hat ein frisch Gezapftes in der Hand. Und geduldig warten alle auf den Beginn des traditionellen Hengstauftriebes.
Die Rangordnung im Almsommer
In zwei Durchläufen (10 und 13 Uhr) werden pro Gruppe elf Norikerhengste auf die Koppel gelassen, um untereinander die Rangordnung für den anstehenden Almsommer auszumachen. Wie nicht anders zu erwarten, gewinnt der Stärkste. Und übernimmt als Leithengst das Kommando auf dem Berg. Das ist wichtig, denn sonst würde es während der Sommermonate immer wieder zu Reibereien untereinander kommen.
Rund hundert Tage verbringen die Norikerhengste auf den 865 Hektar großen Weideflächen der Grieswiesalm im Nationalpark Hohe Tauern. Diese liegt am Fuße des Hohen Sonnblicks in Kolm Saigurn. Dort oben, auf fast 2.000 Metern, sind die Hengste aber nicht alleine, auch Rinder, Schafe und Ziegen verbringen den Sommer auf der Alm.
Alle Plätze am Hang belegt
Noch ist Zeit für eine Runde durch das Geschehen; die Eindrücke wirken lassen. Pferdeliebhaber, Menschen in Tracht, Züchter, Urlauber und Kinder tummeln sich an den Buden – oder rangeln um die besten Plätze direkt am Koppelzaun. Denn am Hang ist längst alles belegt.
Nicht so die Freundinnen Gabi (65) und Felicitas (74) aus Salzburg. Sie haben es nicht eilig, stehen eingepackt in bunten Regenmänteln an einer Hütte und beißen in die Schnitzelsemmel. „Mit so einem Spektakel haben wir nicht gerechnet. Wir waren noch nie da, aber haben das Event im Fernsehen gesehen. Nun sind wir spontan angereist. Und die Gegend ist wirklich wunderschön“, plaudert Gabi drauf los. Die beiden haben keine Lust auf das Gedränge und bleiben hinten stehen.
Endlich geht es los. Einzeln werden die Hengste – Rappen, Dunkelrotfüchse, Schwarzflecktiger – von ihren Züchtern auf die Koppel geführt und vom Moderator vorgestellt: Feuerstein Elmar, Fürst-Ferdinand, Amigo Nero oder Lektor Vulkan, um nur ein paar klingende Namen zu nennen, trippeln unruhig hin und her. Nicht nur bei den hormongesteuerten Kaltblütern steigt die Anspannung, auch das Publikum wirkt gebannt.
Die beste Zeit
Der Hengstauftrieb findet zwar im Juni statt, aber besonders im Herbst gibt es eine Vielzahl an Events in den österreichischen Bergen. Auch im Rauriser Tal ist jetzt einiges los. Bis 10. September sind die Pferde auf der Alm. Dann sind Bauernherbst-Wochen – samt Musikprogramm, geführten Wanderungen, Erntedankfest und dem traditionellen Almabtrieb (Alle Infos auf raurisertal.at/ bauernherbst).
Jetzt im Herbst passt auch besser, dass schicke Hotels große Spa-Bereiche haben. Während Sauna und Sommerhitze sich eher nicht vertragen, passt sie nach einem Herbsttag draußen perfekt. Im Rauriser Tal hat sich etwa das Alps Resort Carpe Solem niedergelassen, mit modernen Ferienwohnungen, aber doch auch Hotel-Service. So ist ein Restaurant im Resort und es gibt auf tausend Quadratmeter einen Wellnessbereich mit Pool, Eisgrotte, Infrarotkabinen und Saunen.
Zurück auf die Koppel. Als alle Hengste da sind, gibt es kein Halten mehr. Die Züchter lösen hastig die Halfter und retten sich mit einem Sprung über den Zaun aus der Arena. Laut wiehernd und trampelnd gehen die Pferde aufeinander los. Sie beißen, schlagen aus und jagen einander über das Feld. Zwei Rappen steigen einander an, der eine schlägt den anderen in die Flucht. Das Publikum raunt.
Nach dem ersten Tumult bilden sich kleine Hengstgruppen, die friedlich innehalten, am Zaun knabbern und vielleicht denken: „Mir ist das Machtgehabe zu blöd, macht ihr das mal unter euch aus!“ Manche tun das. Feuerstein Elmar und Lektor Vulkan können sich auf den Tod nicht ausstehen. Sie lassen nicht voneinander, sogar die Züchter müssen eingreifen. Auch nach zwei Stunden steht kein Sieger fest. Die Pferde tragen Blessuren, wirken matt und ziehen sich nach und nach zurück. Bis auf einen: Rappe Wandero Vulkan hielt bis zum Ende durch. Bravo.
Info zu Anreise, Quartier und Programm
Klimafreundliche Anreise: Wien-Rauris mit Bahn und Bus in 5:30 Std., oebb.at.
Unterkunft: Im Alps Resort Carpe Solem kostet das Wochenende über den Hengstabtrieb (8.–10. 9.) in einer Ferienwohnung 2N/2P rd. 370 Euro, Info: alps-resorts.com/carpe solem.
800 Kilogramm bringen die Kaltblüter auf die Waage.
Barrierefreie Wanderung: Vom Parkplatz „Fleckweide“ geht es vorbei an Wasserfällen zur Palfneralm. Dort gibt es eine deftige Jause, Apfelmost und Fleisch vom Pinzgauer Biorind, palfnerhof.at.
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