Frankfurt - Eine Stadt im Höhenflug
Bald ist Frankfurter Buchmesse. Warum das eine gute Gelegenheit für einen Check-in ist, in der Stadt, in der der Kurs (wieder) steigt.
von Nicola Afchar-Negad
Wenn die Stadtteile Nord- und Westend heißen, aber auch Bornheim und Sachsenhausen, dann kann man sich eigentlich einer Sache schon mal sicher sein: einen guten – internationalen – Mix zu haben, mitten in Deutschland in diesem Fall.
Man kennt Frankfurt als Mainhatten, als die einzige Stadt unseres Nachbarlands mit echter Skyline. Hotelzimmer-Wände werden mit Geldschein-Motiven tapeziert, über die Kreuzungen eilen graue Herren, es gibt ein eigenes Geldmuseum, und vor der Börse haben sich die bronzenen Symbolfiguren der Börsianer – der Bulle und der Bär – in Stellung gebracht.
In Mainhatten regiert das Geld, mehr noch als sonst wo.
An dieser Stelle könnte die Geschichte enden, man müsste nur noch die 76. Buchmesse erwähnen. Könnte – wenn man in den Seelenlose-Stadt-Singsang einstimmen würde. Langweilig sei es diesseits wie jenseits des Mains, ja trist sogar. Die Einheimischen können darüber nur lachen, sie wissen, was Sache ist.
Ganz oben campen
Frankfurt ist auch die Stadt der lässigen Rooftop-Bars, eines Museums für elektronische Musik, einem Geschäft, in dem Dirndln zerlegt werden, einem Campingplatz auf dem Kaufhausdach, einem Dönerboot, neu genutzten Wasserhäuschen und einer annehmbaren Anzahl an hippen Bäckereien, wie es sich für Städte ab 500.000 Einwohnern so gehört.
Darüber hinaus kann Frankfurt auch bodenständig. Eppelwoi-(Apfelwein)-Kneipen gehören hier einfach dazu, haben Kultstatus, und die angeblich von Goethe – ein Frankfurter – geliebte grüne Soße (ja, hier heißt es Soße, nicht Sauce) wird über Schweinsschnitzel geträufelt, und in der Kleinmarkthalle reicht Frau Schneider Wurst über die Theke, angeblich die beste überhaupt und aller Zeiten, mindestens!
Abseits des Mainstreams
Frankfurt ist komplex, ganz einfach macht es einem die gut 760.000-Einwohner-Stadt nicht. Aber so ist das nun einmal oft bei interessanten Persönlichkeiten – und so eine ist Frankfurt.
Die Main-Metropole ist mitreißend, ergreifend. Ja, man ist aus der Liste der lebenswertesten Städte rausgeflogen, und das Bahnhofsviertel wird gleichermaßen geliebt wie gefürchtet. Vor Corona war der Kiez gerade hip geworden – und es scheint auch jetzt wieder in die richtige Richtung zu gehen. Im Yaldy-Bar-Restaurant überzeugt das Team mit seinen unkonventionellen Kreationen – mittlerweile feiern hier schon auch mal Anwaltskanzleien ihre Erfolge und man selbst sammelt Best-of-Awards.
Ich packe in meinen Koffer ...
- … extrastarkes Haarspray, damit die Frisur auch in den luftigsten Höhen hält – wo ja immer der Wind geht.
- ... eine kleine faltbare Tasche, um die Büchereinkäufe von der Frankfurter Buchmesse transportieren zu können.
- ... ein lässiges Sakko – dann passt man immer gut zu den ganzen Bankern.
Trotzdem zieht der Kiez natürlich nicht jeden an, viele Touristen sind lieber am Römerberg, Museumsufer und in Alt-Sachsenhausen (Eppelwoi-Kneipen!). Ersterer ist das Zentrum der Altstadt, flankiert von Fachwerkhäusern, das Rathaus thront mittendrin. Von dessen Balustrade hat schon Queen Elizabeth gewunken – oder die Spieler der Eintracht Frankfurt haben sich dort feiern lassen. Hier lässt sich der Tag gut mit einem Kaffee beginnen.
Freilich werden die Locals das anders sehen, die zieht es – wie in jeder Großstadt – in andere Nachbarschaften. Etwa die Brauchbachstraße (Tipp: Aperitif im "espressoespresso") und Fahrgasse. Diese beiden Straßenzüge rund um die Neue Altstadt sind gespickt mit hippen Cafés und Restaurants sowie kleinen Boutiquen. Die tragen dann bei unseren Nachbarn gern ungewöhnliche Namen wie "esistfreitag Urban Store" oder "KiO" für Kaufhaus im Ort (Deutsche lieben ihre Abkürzungen!) oder auch "Blumen, nebenan" (toller Mittagstisch!). Letzteres liegt im Nordend, eines der charmantesten Pflaster der Stadt. Grün, weltoffen, von Aufbruchsstimmung geprägt, es tut sich etwas – gefühlt wöchentlich.
Kuriose Fakten. Wussten Sie, dass ...
- … von 21 Wolkenkratzern in Deutschland 20 in Frankfurt stehen, die ersten Hochhäuser entstanden bereits in den 1920er-Jahren.
- … es ein "Struwwelpeter"-Museum gibt. Es wurde dem gleichnamigen Kinderbuch, 1844 vom Psychiater Heinrich Hoffmann geschrieben, gewidmet.
- ... die 81 Kilometer lange Gepäckförderanlage am Flughafen Frankfurt der Länge von 1,5 Marathon-Strecken entspricht?
Im Antipodean gönnt man sich ab November wieder die "Gelato Sandwiches" und im Wasserhäuschen "Fein" ein Franzbrötchen. Coolness, die die Generation Z – und nicht nur die – zum guten Leben braucht, wie einen Bissen Brot. Natürlich Sauerteigbrot versteht sich.
Das große Blick-Battle
FFM, wie die Stadt in TikTok- und Instagram-Reels abgekürzt wird, ist eine so genannte 15-Minuten-Stadt. Soll heißen: die meisten Dinge des täglichen Bedarfs sind in 15 Minuten erreichbar – zu Fuß, mit dem Rad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Frankfurter U-Bahn kommt pro Tag auf circa 400.000 Fahrgäste, zum Vergleich: in Wien sind es 1,3 Millionen.
Man sollte die Fußwege nicht übertreiben, aber sich einen bitte unbedingt vornehmen: den über den Eisernen Steg, eine von zwanzig Brücken über den Main. Der Blick nach Norden, Richtung Skyline, ist wow. Der Klassiker in puncto Weitblick ist der Main Tower, mit 198 Metern die höchst gelegene Besucherterrasse der Stadt.
Weitaus charmanter sind die Rooftop-Locations der Stadt. Das Spektrum kann sich sehen lassen. Auf dem Dach des "Skyline Plaza Shopping"-Zentrums wird wieder eisgelaufen, im Sommer standen hier noch Camping-Zelte. Nächstes Jahr soll es dann einen Paddel-Court geben. Dann die Cityalm mit ihrem Holzhütten-Holladrio, frisch gezapftem Bier und bald auch Glühwein. Spätestens wenn der Weihnachtsmarkt-Wirbel losfegt, werden die Nachtmodi der Smartphones strapaziert. Die Lichterketten der Stände, dahinter – wie stumme Wächter – die gleißenden Bürofenster in den Wolkenkratzern, auch das hat was.
Etwas gediegener gibt sich das Tee- und Champagner-Stelldichein (jeden zweiten Sonntag) in der NFT-Skybar, die zum nhow-Hotel gehört. Wofür man sich auch entscheidet – eine Stadt von oben zu betrachten, verändert immer die Perspektive. Probleme scheinen weiter weg, werden von den Häuserfluchten verschluckt.
Fantasiepflanzen und Goethe
Was man von oben herab erkennt, und das mag für einige überraschend sein: Frankfurt ist grün, opulent geradezu. Rund fünfzig Prozent des Stadtgebiets sind Grün- oder Freiflächen, Sachsenhausen wird als grüne Lunge bezeichnet und der Palmengarten im Westend versöhnt auch all jene, die von Frankfurt nur so semi-begeistert sind.
Nicht allzu weit entfernt zieren sieben Fantasiepflanzen auf zwanzig Metern Höhe und 2.000 Quadratmetern die Fassade eines Bauprojekts. Der italienische Künstler Agostino Iacurci beziehe sich in seiner Malerei auf Frankfurter Stadtwälder, den Palmengarten – und Goethe. Kein Wort von Dax oder Dividenden, nur Schöngeisterei.
"Frankfurt, du bist so wunderbar" heißt eine der bekanntesten Webseiten der Stadt und man ist geneigt, dem zuzustimmen.
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