Warum Jérôme Dreyfuss schön und nachhaltig produziert

Nicht nur schön, sondern vor allem praktisch müssen Handtaschen laut Designer Jérôme Dreyfuss sein – und möglichst nachhaltig produziert. Ein Balanceakt, wie der Franzose offen zugibt.

Es erscheint passend, Taschendesigner Jérôme Dreyfuss ausgerechnet während der Pariser Modewoche zum Interview zu treffen. Im hippen Viertel Marais im Norden der Metropole empfängt der Franzose in seinem versteckt gelegenen Atelier.

Ob er verfolgt, was ein paar Kilometer weiter auf den Laufstegen präsentiert wird? „Nein, ehrlich gesagt gefällt mir nicht, was aus der Modewelt geworden ist“, sagt der 48-Jährige im Gespräch.

Nur eine Präsentation besuche er jede Saison: jene seiner Frau Isabel Marant, die zu den hochkarätigsten Namen im Showkalender zählt. „Aber ich sage ihr immer, dass es ein Albtraum für mich ist.“

Dabei gehörte Dreyfuss selbst einmal zu jenen, die luxuriöse Mode an gut betuchte Kundschaft verkauften: „Es war schon als Kind mein Traum, in dieser Welt Fuß zu fassen.“

Bereits mit 22 Jahren hat er sich in Paris einen Namen gemacht, fertigt sogar für Michael Jackson an. Und doch entscheidet er sich nur wenige Jahre später zu einem Rückzug aus der Branche. Aus einem für ihn sehr simplen Grund: „Meine Frau und ich haben ein Baby bekommen – und jemand musste sich darum kümmern. Ich habe beschlossen, dass ich das bin. Es war eine tolle Zeit.“

Tragen ohne Rückenweh

Modell „Helmut“ aus Rauleder. Um 990 Euro (über jerome-dreyfuss.com)

©Clarisse Rancurel & Gonzalo Quit

Dass er heute in der Welt der Accessoires zu Hause ist, sei einem Zufall zu verdanken. „Eines Tages hatten wir ein paar Freunde zum Abendessen eingeladen und mir fiel auf, dass keine der Frauen mit einer richtigen Handtasche erschien“, erinnert sich Dreyfuss.

„Sie trugen entweder gar keine oder nur Plastiksäcke oder etwas vom Flohmarkt. Und sagten mir, dass sie das, was in den Boutiquen erhältlich sei, nicht tragen wollten.“ Der Franzose spielt damit auf die vielen mit großen Logos versehenen Handtaschen rund um die Jahrtausendwende an.

„Sie erzählten außerdem, dass die meisten Modelle sehr schwer seien und Rückenschmerzen verursachten. Im Scherz habe ich dann geantwortet, dass ich ihnen eine schlichte und leichte Tasche anfertigen werde. Ich bin also ins Büro gefahren und habe eine Handtasche entworfen. Und die ist so gut angenommen worden, dass es noch eine und noch eine wurde.“

Seit 2002 ist Jérôme Dreyfuss nun schon mit seinem gleichnamigen Taschenlabel erfolgreich. Auf die Optik seiner Entwürfe wolle er sich nicht zu sehr versteifen: „Eine Tasche muss praktisch sein. Die Optik wird von dem bestimmt, was hinein muss.“

Damit seine Kundinnen nicht mehr ewig nach ihren Schlüsseln suchen müssen, ist jedes Modell innen mit einer Mini-Taschenlampe ausgestattet.

Verpflichtung der Mode

Taschendesigner Jérôme Dreyfuss

©Jerome Dreyfuss

Nachhaltigkeit sei für ihn oberste Priorität, erzählt Jérôme Dreyfuss. Das Leder wird ausschließlich in Europa von Stellen bezogen, wo die Tiere auf Weiden leben konnten. Gefärbt wird dieses mit ökologischen Methoden. Für jedes verkaufte Modell wird ein Baum in Bolivien gepflanzt. Und wird eine Tasche z.B. nach Österreich bestellt, läuft der Transport via Zug statt Flugzeug.

„Ich mache das alles nicht, damit mir andere dafür danken. Sondern weil ich finde, dass das normal ist. Wir nehmen so viel von unserem Planeten, also müssen wir etwas zurückgeben. Das ist keine Einstellung, sondern eine Verpflichtung!“

In dieser Thematik findet sich auch der Grund, warum ausgerechnet ein Designer schlecht auf die Modebranche zu sprechen ist.

„Es gibt so viel Greenwashing. Und die großen Modehäuser sagen, sie wollen weniger produzieren. Aber sehen Sie nur, wo das wirklich passiert?“ Weiterer Dorn im Auge: „Die Leute kommen nicht mehr zur Fashion Week, um neue Mode zu sehen – sondern um gesehen zu werden.“

Weniger kaufen

©Laurent DUBIN

Seine Arbeit betrachtet der 48-Jährige deshalb als Balanceakt. „Ich stelle mir dieser Tage viele Fragen. Natürlich müssen wir alle arbeiten, von Dingen träumen und uns manchmal etwas kaufen. Aber deutlich weniger, dafür in besserer Qualität.“

An diesem Punkt zeige sich für Jérôme Dreyfuss eine Art Absurdität seiner eigenen Tätigkeit: Widersprechen sich der Job des Designers und Nachhaltigkeit nicht gewissermaßen? „Es ist eine komplizierte Angelegenheit“, gibt Jérôme Dreyfuss zu.

„Aus rein ökologischer Sicht müsste ich eigentlich mit diesem Job sofort aufhören“. Ein Grund halte ihn derzeit davon ab: „Natürlich liebe ich meine Arbeit. Aber vor allem habe ich 70 Personen, die hier für mich arbeiten. Und weitere 90 Personen in kleinen Fabriken, die von meinen Aufträgen abhängig sind.“

Zur Person

Privat
Jérôme Dreyfuss wurde im Jahr 1974 im französischen Nancy geboren. Er ist mit Designerin Isabel Marant verheiratet, sie haben einen gemeinsamen Sohn und leben in Paris 

Beruflich 
Im Jahr 1988 lanciert Dreyfuss seine erste Ready to wear-Kollektion. 2002 kommt seine erste Accessoire-Kollektion namens „Roots de Luxe“ auf den Markt.  Stars wie Sarah Jessica Parker und Diane Kruger sind Fans seiner Taschen

Maria Zelenko

Über Maria Zelenko

Seit 2015 beim KURIER. Schreibt seit über einem Jahrzehnt über alles, was die Mode- und Kosmetikwelt bewegt.

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