Die Neuerfindung der Männlichkeit: Haartransplantationen und Bruch gesellschaftlicher Tabus

Auch Männer haben Probleme mit ihrem Äußeren. Jahrzehnte lang wurde das Thema gemieden, nun beendet die neue Generation das Schweigen.

Schönheitstipps für Frauen gibt es wie Sand am Meer. Doch warum sind Männer eigentlich großteils davon ausgeschlossen? Eine neue Generation bricht nun mit diesen Tabus und spricht über Probleme mit dem Aussehen, Verlust des Selbstvertrauens und Möglichkeiten der Verbesserung. Wo? Auf der Social-Media-Plattform TikTok, natürlich.

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Sich Gedanken, um die Frisur oder generell das Aussehen zu machen, dass assoziieren die meisten wohl noch immer nur mit Frauen. Doch wer auf TikTok nach „Hair Transplant“ (Dt. Haartransplantation) sucht, wird mit Clips von Männern überschwemmt, die über ihre kosmetischen Eingriffe sprechen. Einige von ihnen teilen ihre Erfahrung, andere wiederum geben sogar wöchentliche Updates und nehmen die Zuseher so mit auf ihre Reise zum volleren Haar. Und es gibt auch TikToker, die ihre Hintergrundgeschichte erklären, über ihre Selbstzweifel reden und die Bedeutung des Haarverlustes für sie erläutern.  

In der Boulevardpresse hat man in den letzten Jahren eine andere Stimmung vernommen. Hier wurden männliche Prominente verhöhnt für derartige Eingriffe. Doch nun scheint sich der Wind zu drehen – wenn auch nicht seitens der Medien – und immer mehr Männer stehen zu ihren kosmetischen Eingriffen.

Vier prominente Beispiele:

Christian Lindner: Der deutsche FPD-Politiker hat sich Ende 2012 im Alter von 34 Jahren einer Haartransplantation unterzogen.

Harald Glöckner: Seine Geheimratsecken waren ihm schon länger ein Dorn im Auge, deswegen hat er 2013 in Istanbul den kosmetischen Eingriff machen lassen.

Robbie Williams:  Im Vergleich zu anderen Prominenten hat sich Robbie Williams relativ offen zu seinem Eingriff von 2013 geäußert.

Sylvester Stallone: Auch er hat sich 2013 in eine Klinik begeben und die Haartransplantation durchführen lassen.

Eine neue Ära der Männlichkeit?

Auch eine Studie der Londoner „Harley Street Hair Clinic“ hat sich mit dem Thema beschäftigt. Die Forschenden haben herausgearbeitet, dass sich 35 Prozent der Männer aufgrund von Haarausfall weniger attraktiv finden. Ganze 26 Prozent haben sogar angegeben, dass sich ihr Selbstvertrauen dadurch verschlechtert hat. Nicht ohne Folgen für die mentale Gesundheit: so haben 13 Prozent von einem erhöhten Stresslevel und 12 Prozent gar über verstärkte Anxiety berichtet.

Mit ihren TikTok-Videos, in denen die Männer offen über ihre Gefühle sprechen, läuten die Nutzer eine neue Ära der Männlichkeit ein. Es ist nicht mehr peinlich für sie, über Selbstzweifel zu reden. Und auch die mentale Gesundheit rückt immer weiter in den Fokus. Natürlich bekämpft das offene Gespräch über Haartransplantationen nicht die allgemeine Problematik, dass Männer viel zu wenig über ihre Gefühle und Ängste sprechen. Doch es ist der erste Schritt in die richtige Richtung, da sie leider in vielen Fällen von der Body-Positivity-Bewegung ausgeschlossen werden. Somit ist es gut, dass Männer einen Raum gefunden haben, in dem sie offen über Haarausfall sprechen können. So zeigt sich: TikTok hat viele Schattenseiten. Doch wo Schatten ist, ist auch Licht.

Über Janet Teplik

Digital Producer bei freizeit.at. Nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte zog die gebürtige Deutsche nach Wien und studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Zuletzt war sie stellvertretende Chefredakteurin bei der MG Mediengruppe.

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