Wie Manfred Thierry Mugler Modegeschichte schrieb
Im Alter von 73 Jahren starb Manfred Thierry Mugler. Wie der Designer mit österreichischen Wurzeln nie vor Extremen zurückschreckte.
Paris brummt, die ganze Modewelt blickt diese Woche Richtung französische Hauptstadt. Seit gestern, Montag, finden allen Pandemieentwicklungen zum Trotz die Präsentationen der Haute-Couture-Kollektionen statt. Es hätte auch für Manfred Thierry Mugler eine wichtige Woche werden sollen. Der Designer hatte geplant, in wenigen Tagen neue Kooperationen bekannt zu geben. Sonntagnacht dann die Meldung: Der Modeschöpfer sei im Alter von 73 Jahren unerwartet eines natürlichen Todes gestorben.
Sexy, schrill, unkonventionell und frivol. Das sind nur einige wenige der Begriffe, mit denen sich Muglers Mode beschreiben lässt. Sein Schaffen in eine Kategorie zu pressen? Unmöglich. Fast außerirdisch anmutende Entwürfe, die von Alltagsmode kaum entfernter sein könnten, machten ihn zu einem der großen Modeschöpfer.
Erster Versuch ein Flop
Die großen Bühnen der Welt sucht der am 21. Dezember 1948 in Straßburg in eine aus Linz stammende Familie geborene Mugler schon früh. Im Alter von 14 Jahren beschließt er als Balletttänzer durchzustarten. Seine Leidenschaft für Mode, angefacht durch das Umarbeiten von auf Flohmärkten günstig erstandenen Kleidungsstücken, versiegt auch während seiner Ausbildung zum Tänzer nicht. Steht er gerade nicht auf der Bühne, zeichnet er neue Entwürfe.
Mit 20 Jahren zieht es ihn nach Paris, wo er lange als freischaffender Designer arbeitet, bis er im Jahr 1973 mit seinem Label Café de Paris den nächsten Schritt wagt. Die vom Ballett inspirierte erste Kollektion ist ein Flop. Selbst sein Geschäftspartner lässt kein gutes Haar daran – zumindest die Präsentation sei spektakulär gewesen.
Also alles auf Anfang – unter neuem Markennamen. „Manfred“ erscheint dem Designer nicht kosmopolitisch genug, er arbeitet ab sofort nur als „Thierry Mugler“. Kurze Zeit später werden die ersten Kreationen präsentiert: Extrem tiefe Ausschnitte, so eng geschnittene Taillen, dass einem schon beim Hinsehen die Luft wegbleibt, und die nächste Knöchelzerrung ankündigende High Heels – Muglers Vision der starken Frau ist ebenso spektakulär anzusehen wie unbequem. Eine Femme fatale, wie sie im Buche steht. Tragbar und heute wieder en vogue: seine breiten Schulterpartien.
Muglers Shows ähneln schon weit vor dem Social-Media-Zeitalter einem theatralischen Spektakel. Mal lässt der Exzentriker seine Models (ein hochkarätiger Mix von Naomi Campbell bis Diana Ross) auf dem Laufsteg Schlitten fahren, mal dekoriert er ein Zelt als Aquarium. Auch das österreichische Publikum kommt in den Genuss: Für den ersten Life Ball im Jahr 1993 kann Gerry Keszler seinen Freund als Stardesigner gewinnen.
Rückzug und Comeback
Von Brigitte R. Winkler, KURIER-Redakteurin und Doyenne des österreichischen Modejournalismus, auf seine Inspiration angesprochen, antwortet Mugler einst: „Science Fiction hat mich immer beschäftigt, sie ist ein Teil meines Lebens. Ich bin in der Provinz groß geworden, langweilte mich dort fürchterlich und floh deshalb in diese Welt.“
In den frühen 2000er-Jahren scheint Mugler die Lust am Modezirkus vergangen zu sein, er zieht sich zurück und nimmt seinen Namen Manfred wieder an. Er widmet sich verstärkt seinen Bestseller-Parfums und dem Bodybuilding. Nach einem schweren Unfall im Fitnesscenter ist der Designer auch nach Beauty-OPs kaum wiederzuerkennen.
Sein Maßband legt er dennoch nie ganz zur Seite. Für Sängerin Beyoncé kreiert er Kostüme für ihre Tournee „I am“, 2019 designt er für Kim Kardashian ein spektakuläres Latex-Kleid für die Met Gala.
Im Paris ist dem Designer aktuell eine Retrospektive gewidmet, die noch bis April 2022 läuft. Er habe Saison für Saison Modegeschichte geschrieben, sagte Kurator Thierry-Maxime Loriot. „Er hat uns wie eine Sternschnuppe verlassen, in all seiner Pracht, gefeiert mit einer großen Retrospektive, die sein einzigartiges Vermächtnis repräsentiert.“
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