Harry Styles

Der Herr im Anzug: Wie viel Mode verträgt der Mann?

Männer und Kleidung im Wandel der Zeit: Eine Ausstellung in London beschäftigt sich damit, wie Herrenmode Maskulinität gestaltet.

Von Karin Garzarolli

Unter uns gesagt, es ist nicht Harry Styles, der einem in den Sinn kommt, wenn man an den Gentlemen von heute denkt. Wir sprechen aber heute nicht über Gentlemen im klassischen Sinn, sondern über der Herren Kleider, deren Bedeutung und Darstellung. Und über das Bild des Mannes selbst im Wandel der Zeit. Da passt dieser flippige Mr. Styles wiederum gut. Sein Style erst recht. Der Kerl schafft es nämlich, den „Neuen Mann“ zu versinnbildlichen.

Wie er das macht? Indem er auffällt und immer wieder aus seinem modischen Schatten springt. Mal bestreitet er sein Live-Konzert in Ruderleiberl samt Federboa. Dann wieder entdeckt er das Tutu für sich und schreibt Style-Geschichte als Primoballerino. Seine markanten Tattoos stehen dabei im krassen Gegensatz zu den femininen Outfits & Accessoires. Klar, dass sich Fashion-Industrie und Modemagazine geradezu um ihn reißen. Und auch die Damenwelt, aber das ist eine andere Geschichte.

Mehr als Hose, Hemd und Jacke

Was heißt schon „Neuer Mann“, von dem immer wieder die Rede ist? War nicht alles schon einmal da? Ja, auch in der Männermode. Diese besteht nämlich schon immer aus weit mehr als Hose, Hemd und Jacke. Und wer behauptet, Männer und Mode hätten nicht viel miteinander zu tun, irrt. Denn selbst Männer, die sich scheinbar nicht darum kümmern, welcher Style gerade angesagt ist, kümmern sich um ihre Kleidung. Und drücken etwas damit aus. Man denke nur an Steve Jobs, der mit dem steten Tragen eines schlichten Rollkragenpullovers seinen Intellekt unterstrichen hat. Und so zum Ausdruck brachte, dass er zwar Wert auf Qualität und persönlichen Stil legte, jedoch keinen auf den Einfluss aus der Fashion-Industrie.

Ein Porträt des Prinzen Alessandro Farnese von Sofonisba Anguissola.

©Roy Hewson

„Die Mode hechelt den Trends hinterher. Ich will zeitlose Eleganz“, fordert der japanische Modedesigner Yohji Yamamoto. Und resümiert: „Die Mode hat keine Zeit. Ich schon.“ Wie unterschiedlich Männer und ihr Style im Wandel der Zeit sind, zeigt aktuell die Ausstellung „Fashioning Masculinities: The Art of Menswear“ im Londoner Victoria & Albert Museum. Auch Outfits vom oben genannten Harry Styles sind zu bewundern. Doch er war nicht der erste und ist nicht der einzige prominente Selbstdarsteller, der die Männlichkeit zelebriert, indem oder obwohl er sich jenseits des Binären kleidet. Das konnten vor ihm schon David Bowie und Marlene Dietrich ganz gut, deren innovative Stilsicherheit anhand Original-Outfits und legendärer Fotografien gezeigt werden.

Gestern und heute „Kleidung wird geteilt, getauscht, inspiriert und aufgewertet“, so Li Edelkoort. Aber gibt es in Zukunft noch Mode nur für den Mann? Wie sich das Bild vom modischen Mann im Wandel der Zeit, Stile und Einstellungen geändert hat, davon zeugen in London unzählige Gemälde und Fotografien. Man bekommt bei einem Rundgang durch die Ausstellung immer mehr den Eindruck, dass wirklich alles schon einmal da war. Vor allem, wenn historische Gemälde zeitgenössischer Fotografie gegenübergestellt werden. Landet man dann bei Entwürfen zukunftsorientierter Modedesigner wie Rick Owens, JW Anderson oder Comme des Garçons bekommt man das Gefühl, die Auflösung des Anzugs stünde bevor.

lasdair McLellan fotografierte Sam Smith im Hermès-Hemd.

©Fashioning Masculinities: The Art of Menswear at the Victoria and Albert

Doch noch ist es nicht ganz soweit. Diesen Sommer hat Mann noch Hosen an. Auch Anzug trägt er, allerdings in Babypink. Die Farbe Rosa ist nämlich im Frühjahr/Sommer 2022 der Trend schlechthin für Männer. Dazu gerne bunte Strickpullover im Allover-Muster und auffällig große Bags in knalligen Farben.

Für die weitere Zukunft merkt Trendforscherin Li Edelkoort an: „Die aktuelle Gender-Bewegung verfeinert die Kategorien ständig. Mit den geschlechterdefinierenden Archetypen bekommt auch unsere Kleidung einen neuen Aufschwung. Sie wird geteilt, ausgetauscht, inspiriert und aufgewertet.“ Und weiter: „Von einfachen Sweats bis zu historischen Kostümen, von Arbeiterkleidung bis hin zu exzessiven Drag-Looks wird alles gemixt. Eine aufregende Zeit liegt vor uns und könnte die Mode der nächsten Jahrzehnte dominieren“.

Der senegalesische Fotograf Omar Victor Diop – berühmt für seine konzeptionellen Arbeiten – stellt hier mit einem Selbstporträt das berühmte Gemälde des haitianischen Politikers und ehemaligen Sklaven Jean-Baptiste Belley nach.
 

©Fashioning Masculinities: The Art of Menswear at the Victoria and Albert

Der Pfau im Mann Was jedoch Mode immer schon konnte und immer können wird? Mann drückt damit Reichtum und Macht aus. Die einen machen es dezent im maßgeschneiderten Anzug aus edelstem Garn zu handgearbeiteten Schuhen – hier sehen nur Eingeweihte, wie viel dafür hingeblättert wurde. Die anderen tragen es ungeniert und offen zur Schau. Vom Gucci-Kapperl über die Louis Vuitton-Jacke bis hin zu den Balenciaga-Sneakers ist alles gebrandet und schreit direkt nach jeder Menge Kohle. Ein Phänomen, das es immer schon gab.

Man denke nur an die Oberhäupter diverser Adelshäuser, die sich nur in Samt und Seide hüllten. Mehr war hier mehr, weshalb die feinen Stoffe durch übergroße Silhouetten, Volants und Rüschen unterstrichen wurden. Alles nur, um Status und Individualität zu kennzeichnen. Und gerade, wenn man denkt, nackt sind alle Menschen gleich, kommen einem in Stein gemeißelte Männer in den Sinn. Seit der Antike wird der männliche Körper kraftvoll und sportlich dargestellt. Von Textilien sind diese mehr ent- als verhüllt. Kein Gramm Fett hat hier etwas verloren. Genauer betrachtet merkt man, nicht nur der weibliche Körper und seine Kleidung hat sich einer gewissen Diktatur unterworfen.

Auch der Mann kämpft damit, vom immer schneller drehenden Karussell der Mode nicht abgeworfen zu werden.

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