Da bleibt die Luft weg: Das umstrittene Korsett ist zurück
Folter oder fesch? Stars wie Margot Robbie zeigten sich zuletzt im Korsett. Seit wann es das Stück gibt und warum es auch Männer trugen.
Bei der Oscar-Verleihung kann es eng zugehen. Nicht nur wenn es darum geht, wer die Trophäe mit nach Hause nehmen darf. Zur Aftershowparty kam das Model Kendall Jenner mit Korsett unterm Kleid. Margot Robbie verzichtete auf die Robe und erschien nur im geschnürten Stück.
Nicht erst seither sind Korsetts und die weniger strengen Korsagen wieder in Mode. Was nicht allen gefällt: Sie nehmen ihnen die Freiheit, so der feministische Vorwurf.
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Der Spiegel hingegen sah den Trend zur Sanduhrform so: „Das alles ist weit weg von dem Bild, das man als Mode-Metaphorik für Einsteiger nur zu gut aus ‚Vom Winde verweht‘, ‚Titanic‘ und ‚Bridgerton‘ kennt: Junge Frau mit Freiheitsdrang wird in ein Korsett eingeschnürt, bis ihr kaum noch Luft zum Atmen bleibt.“
Bridgerton und TikTok-Raver
Die Netflix-Serie Bridgerton, deren dritte Staffel am 16. Mai startet, hat die Faszination an der geschnürten Taille wohl mit ausgelöst. Regencycore nennt man das. Außerdem haben sich junge Menschen einiges von der Fetischszene abgeschaut. Die Tiktok-Raver filmen sich neben Harness oder Netzshirts auch in Korsagen und Korsetten aus Lack und Leder beim Tanzen zu Hardtechno. Gruftis und andere Vertreter der „Schwarzen Szene“ haben es vorgemacht.
Das Mieder, die Schnürbrust, das Leibstück, wie auch immer man die geschnürten Stücke nannte, hat eine wechselvolle Geschichte.
Lang galt es als patriarchales Folterinstrument, das den weiblichen Körper entstellte. Es gab auch Männer, die etwas dagegen hatten, wenn auch aus anderen Gründen. Gustave Flaubert wird das Zitat zugeschrieben: „Man muss die Mode des Korsetts verschwinden lassen, eine scheußliche Angelegenheit von empörender Geilheit und extremer Unbequemlichkeit, in gewissen Momenten.“
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Eine schmale, künstlich hergestellte Taille war schon in der minoischen Kultur auf Kreta ein Schönheitsideal. Vor 4.000 Jahren stellte man sich die Schlangengöttin von Knossos mit Wespentaille und üppigem Busen vor.
Bis ins Mittelalter hinein trugen Menschen weite Kleidung. Ausladende Körperteile waren nichts, was man verbergen wollte. Galten sie doch als Zeichen des Wohlstands. In der Spätgotik und Frührenaissance war es mit der Üppigkeit vorbei. Zierliche Frauen galten als perfekt, die Oberweite wurde in Mieder eingeengt. Modemacher zwängten sie in Körbe, die aus Schilf, später aus Holz, Metall oder Fischbein gefertigt waren. Später, vor allem im Barock, wurde der Bauch noch enger geschnürt, weil die Oberweite wieder gefragt war.
Eng geschnürte Mieder sollen zu Todesfällen bei jungen Frauen geführt haben. Ärzte warnten vor dem Korsett, attestierten Schäden an inneren Organen und riefen zum Boykott auf. Doch das half alles nichts.
Eingeschnürte Snobs
Im 19. Jahrhundert griffen auch die snobistischen Dandys zu Hilfsmitteln, um sich noch schöner zu machen, als sie sich ohnehin schon wahrnahmen. Nicht alle sehen das so – es gibt genügend Karikaturen, die leidende Gecken zeigen. Später warben Kaufhäuser um dicke Männer. Auch Aristokraten, die eine stramme Körperhaltung einnehmen wollten, trugen Korsett unter der Uniform.
Coco Chanel hat die Frauen vom Korsett befreit, heißt es. Aber Schluss war lange nicht. Für seinen New Look bediente sich Christian Dior bei alten Frauenbildern und entwarf ein elastisches Korsett. Vivienne Westwood griff in den 1970ern für ihre Punk-Kreationen auf historisierende Elemente zurück. Für die Herbstkollektion 2022 ließ sie das Wort „Fuck“ auf ein Korsett heften.
Auch Madonna verhielt sich um 1990 auf ihrer „Blond Ambition“-Tour explizit: Sie trug einen Kegel-BH und ein goldenes Korsett und griff sich, wie man es von Männern gewohnt war, beherzt in den Schritt. Jean Paul Gaultier hat das Stück geschneidert. Der sagte einmal: „Meine erste Erinnerung an Mode ist eng mit meiner Großmutter verbunden. In ihrem Kleiderschrank fand ich ein Korsett.“
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