Anden einmal anders: Handwerk kann Berge versetzen

Wie Stoffe aus Südamerika die Textilkunst einer Tirolerin inspirierten. Die Reiseerfahrungen der Martina Öttl in Peru.

Gewaltige Berge gibt's auch in den Anden. Zwischen dem hochalpinen Tirol und Peru liegen dennoch Welten. Oder auch nicht. Gewebt wird zumindest da wie dort, wenn auch mit eher großen Unterschieden. „In Peru hocken die Frauen nicht vor Webstühlen, sondern spannen die Wollfäden über mehrere Röhren und Stäbe“, berichtet Textilkünstlerin Martina Öttl. Die gewünschte Spannung der Fäden wird dann von den Weberinnen über einen Hüftgurt per kraftvollem Körpereinsatz kontrolliert und reguliert.

Klingt komplizierter als es dann tatsächlich war. Die Ergebnisse sprechen jedenfalls für sich. Die auch sozial engagierte Modemacherin verbrachte 2018 und 2019 mehrere Monate inmitten von Kolleginnen aus einem völlig anderen Kulturkreis. Und kam trotz anfänglicher Sprachprobleme gut mit ihnen zusammen. Während zwischendurch in Spanien absolvierten Volontariaten bei biologischen Landwirtschaftsprojekten holte sie sich sprachlich den letzten Schliff. Und war so auch bestens gewappnet, um sich als Damenkleidermacher-Meisterin in der Fremde wieder in die Position der Praktikantin begeben zu können.

Die Farben ihrer Wollstoffe sind natürlich und kräftig

©martina oettl

Die 33-jährige Künstlerin: „Gerade beim Handwerk dauert es lange, bis man sich bestimmte Fertigkeiten aneignet. So gesehen, hatte ich überhaupt keine Probleme damit, mich für diese Zeit wieder in die Rolle einer Auszubildenden zu begeben.“

Zwischenzeiten

Über die von ihrem Heimatdorf Zams ausgehende Organisation „Asociación Caminemos Unidos“ bestand schon ein Kontakt nach Peru. Ihre Liebe und Wertschätzung für das peruanische textile Kunsthandwerk führte die so zarte wie zähe Tirolerin schließlich zu Weberinnen der Kooperative „Songuillay“ in den Anden von Peru.

Dass die Uhren hier anders gehen, inspirierte Martina Öttl sogleich für ein Projekt. Unter dem Titel „Zwischenzeiten füllen Träume“ erarbeitete sie mit den peruanischen Weberinnen die Ausgangsbasis für trag- und wandelbare Textilobjekte, die sie nun schon seit Monaten in ihrem Atelier in Wien herstellt.

„Die elf Kleidungsstücke aus den peruanischen Wollstoffen sind schon fertig, vier Outfits aus heimischen Textilien kommen noch“, erklärt sie. Entstanden über den Zeitraum von über drei Jahren, symbolisieren die jüngst bei einer Ausstellung in der alten WU Wien zu sehenden Teile auch ihre Erinnerung an die ungewöhnliche Ausbildungszeit in den Anden.

Martina Öttl mit Weberinnen der Kooperative „Songuillay“ in Patacancha, Peru. 

©Martina Öttl

„Zeitspannen und Zeitabschnitte werden relativ, wenn man den Prozess von der Ernte der Wolle über das Färben mit Naturmaterialien wie etwa Blumen, Pflanzen und Mineralien bis hin zum Verweben von Hand begleiten darf“, sagt sie.

An einem wollenen Faden

An jedem einzelnen Faden, an jedem Knopf und jeder Perle hängen ihre Gedanken und Erinnerungen an diese Zeit. Auch an dieses völlig andere Tempo der Herstellung handwerklicher Stücke. Besonders beeindruckt hat die Tirolerin, dass jeder der Weberinnen „ihren ganz individuellen Stil und ihre eigene Technik besitzt“.

Eine Filmdokumentation wie auch der Verkauf der Kollektion ist im Gange. Der Erfolg ist freilich keine Einbahnstraße: Der Erlös dieses Projekts geht an die Weberinnen und andere regionale Frauenhilfswerke in Peru.

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