Luxus oder Müll? Empörung um Kaputt-Sneaker von Balenciaga um 1.450 Euro
Shitstorm für Balenciaga: Provokation, Mode oder Marketing-Gag?
Zerfleddert, zerschlissen, zerfetzt. Diese Sneaker präsentieren sich neu in einem Zustand, in dem andere sie ohne Zögern in den Mistkübel werfen würden. Ausgelatscht, abgewetzt und ausgedient: Ist das die neue Mode?
Wenn es nach der Manier von Balenciaga geht, ist die Antwort: ja. Das französische Luxus-Modehaus hat jetzt einen Schuh auf den Markt gebracht, der für gehörige Irritationen sorgt. Der „Paris High Top Sneaker Full Destroyed“ sieht aus, wie durch den Wolf gedreht – dafür kostet er 1.450 Euro.
Offenbar möchte Balenciaga jenen Style, der bei zerschlissenen Jeans, Pullis mit Löchern oder T-Shirts mit Farbklecksen immer wieder Trend war und ist, auf das Schuhwerk ausweiten. Und den Destroyed-Look, der mit beabsichtigten Gebrauchsspuren ein Ausrufezeichen setzt, bei einer High-End-Klientel etablieren, die auch zu ebener Erd‘ gern auffällig exquisit unterwegs ist.
Zynisch? Gut getimed? Oder einfach nur provokant? Darüber lässt sich diskutieren. In Zeiten der Krise, in denen viele ihr aussortiertes Gewand der Altkleidersammlung spenden, um Menschen in Not mit einer textilen Zuwendung unter die Arme zu greifen, stößt Balenciaga eine Debatte an, welcher Luxus uns gerade noch erlaubt ist – und welchen wir uns aus Gründen der Sensibilität vielleicht gerade lieber sparen sollten.
Vielleicht punktet die Marke aber auch zumindest nur mit dem Plan, mit Empörung Marketing zu machen. Denn durch die Edelpatschen ist Balenciaga gerade in aller Munde, und auch Bad News sind in Sachen PR oft genug Good News.
In den sozialen Netzwerken entrüsten sich die User jedenfalls brav über die Treter, indem sie dem Designer nahelegen, er hätte sie Obdachlosen gestohlen und verkaufe sie nun um teures Geld. Andere machen sich auf Twitter & Co angemessen augenzwinkernd darüber lustig, indem sie die destroyten Paris Sneaker mit dem Zombie-Hashtag #TheWalkingDead versehen. Oder posten überhaupt gleich ihre eigenen ausgelatschten Schuhe. Ganz nach dem Motto: Oh, wusste gar nicht, dass ich längst schon ein Paar Balenciagas zuhause habe!
Demna Gvasalia, Kreativchef von Balenciaga, ist für seine öffentlichkeitswirksamen Aktionen bekannt. Die Modenschau des einstigen Flüchtlingskindes aus Georgien bei der diesjährigen Fashionweek in Paris setzte ein starkes Signal gegen den russischen Kriegsüberfall auf die Ukraine, mit der er bewies, dass die Modebranche imstande ist, aktuelle Geschehnisse effektvoll zu kommentieren und nicht in einer losgelösten Luxusblase existiert, die so tut, als ginge sie das Leid von Millionen nichts an.
Halbnackte Models, die in einer Art Glassturz frierend gegen einen eisigen Schneesturm ankämpfen und Müllsäcke hinter sich herziehen, als hätten sie im Moment der Flucht darin schnell ihr ganzes Hab und Gut einpacken müssen? Das hatte es zuvor noch nicht gegeben.
Zurück zu den Schuhen: Balenciaga, so wird kommuniziert, würden mit dem drastischen Used-Look bloß zeigen wollen, dass die Paris Sneakers dazu bestimmt sind, ein Leben lang getragen zu werden.
Wer sein Geld dafür ausgeben möchte, ersteht sie übrigens nicht im selben Zerstörungszustand wie auf den Werbebildern zu sehen, sondern in einem gemäßigt zerschlissenen Zustand. Die Modelle der auf 100 Stück limitierten Kollektion hat es am schlimmsten erwischt: Sie weisen Löcher auf und sind für 1.450 Euro zu haben. Eine Art grotesker Zuspitzung im Luxus-Universum: Der betuchte Kunde darf sich sogar aussuchen, in was für einem Stadium von kaputt er bewundert werden möchte.
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