In High Heels durch den Sturm: Wer ist Demna Gvasalia?

Der Stardesigner aus Georgien revolutioniert die Modebrachen seit fast einem Jahrzehnt. Jetzt ist ihm ein kleines Meisterwerk gelungen.

Mit dünnen Stilettos kämpft sich ein Model über den Laufsteg der gestrigen Balenciaga-Show. In der Hand einen einfach Beutel, ein dunkle Sonnenbrille sitzt auf ihrem Gesicht. Ihre langen Haare wehen nicht romantisch im Wind sondern befinden sich im Kampf mit orkanartigen Böen. 

Es ist Fashion Week im März 2022. Während bei Valentino pinke Roben auftanzen und Stella McCartney zumindest mit einer Friedensrede von JFK versuchte, die Fashion Week nicht banal wirken zu lassen, machte Demna Gvasalia alles richtig. Seine Show brauchte keinen "Beipackzettel", keine Erklärung. Bilder sind mächtig. 

Demna Gvasalia wurde in Georgien geboren. Spätestens 2015 war sein Name jedem in der Modebranche ein Begriff, nachdem er zum Artistic Director des Pariser Labels Balenciaga gekürt wurde. Davor hatte er schon wichtige Rollen bei Louis Vuitton und Maison Margiela inne. 

Bereits 2014 gründete er Vetements, ein Kollektiv von sieben ungenannten Designern, dessen Sprachrohr Gvasalia ist. Die Designs des Labels beeinflussen die Streetwear – und holen sich von dort auch Inspiration. Ein guter Kreislauf: "Einer der stärksten Motive Vetements zu gründen war, dass wir alle frustriert mit der Modeindustrie waren." Von Anfang an spürte man ein Hauch Rebellion gegen gängige Schnitte, Geschlechterrollen und Farben. "Wir stehen in ständigem Dialog mit der heutigen Zeit", erklärte Gvasalia. 

Courtney Love mit Demna Gvasalia

©Getty Images

Zu seinem engsten Einflusskreis zählen Mediengrößen wie Kim Kardashian, Carine Roitfeld, Lewis Hamilton oder die russische Stylistin Lotta Volkova, der man zusagt, den alten Sowjet-Style in zeitgenössische Mode-Kunst verwandelt zu haben. 

Seine erste Show für Balenciaga 2016 war von einem neuen Zeitgeist geprägt. Gerne erinnert man sich daran zurück, als er Models in Plateau-Crocs über den Laufsteg schickte oder eine über 2000-Dollar-teure Version der blauen Ikea-Tasche für das Kultlabel entwarf. Dabei erinnert sein Zugang an den von Marcel Duchamp und seinen Readymades: Zu gerne hält er der Luxusbranche einen Spiegel vor und persifliert Statussymbole.

Für die gestrige Show zum Beispiel, ließ er Stargast Kim Kardashian in gelbes Absperrband wickeln. 

Demna Gvasalia startete mit seinem Zugang zu Couture immer wieder Diskussionen. Gegenüber BoF sagte er letztes Jahr: "Ich werfe Fragen über Nachhaltigkeit und Konsum gerne durch meine Arbeit auf. Das ist natürlich ironisch, weil ich im Mittelpunkt dieses Systems stehe, das zu Konsum ermutigt. Aber wenn ich Couture in den Mix hineinbringe, rege ich dazu an, zweimal darüber nachzudenken, bevor man konsumiert."

 

Ein Model kämpft sich durch den Schneesturm des Balenciaga-Laufstegs in Paris

©Balenciaga Xinhua / Eyevine / picturedesk.com

"Mode ist jetzt egal"

Demna Gvasalia war nach eigenen Angaben kurz davor, die gestrige Show in Paris abzusagen - doch er entschied sich spontan dafür, das Konzept zu ändern. Auf den Plätzen lagen ukrainische Flaggen statt der üblichen, oft teuren Gastgeschenke. Seit 1993 sei Gvasalia selbst Flüchtling, denn Flüchting bleibe man für immer. "In der letzten Woche an dieser Show zu arbeiten war sehr hart für mich, die Fashion Week fühlt sich absurd an."

"Diese Show braucht keine Erklärung. Sie ist eine Hommage an Furchtlosigkeit, den Widerstand und den Sieg von Liebe und Frieden."

Als letzte Looks schickte er ein gelb und ein blau gekleidetes Model durch den Sturm. Das bedarf keiner weiteren Worte. 

Sandra Keplinger

Über Sandra Keplinger

Seit Sommer 2021 im KURIER Medienhaus, zuerst als Digital Producer für die Freizeit, jetzt im Audience Development tätig. Sie arbeitete als Foto- und Modechefin beim WIENER, schrieb über das Mode-Business in der DIVA und war CvD bei Falstaff.

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