So trägt Mann den Anzug in diesem Winter. Zumindest wenn es nach den Vorstellungen Louis Vuittons geht (Bild der Pariser Fashion Week vom Jänner 2022)

Verrückte Anzüge sind Trend auf Weihnachtsfeiern und am Laufsteg

Ausgeflippte Modelle mit knalligen Farben, schrägen Mustern und ungewohnten Formen sind wieder en vogue. Welche Herren sie tragen.

Der dezente Anzug ist tot. Jetzt ist Pfauen-Saison, Baby!“, jubilierte kürzlich das Männermagazin GQ. War es das jetzt mit dem klassischen Schwarz, Blau, Grau?

So weit sind wir wohl noch nicht, aber Stücke in knalligen Farben, mit psychedelischen Mustern oder Formen, die jeglichen Anflug von Slim fit verdrängen, sind seit geraumer Zeit wieder en vogue. Kaum eine Award-Verleihung oder Filmpräsentation bei der Herren nicht für ein modisches Aha-Erlebnis sorgen. Oder für Kopfschütteln bei Traditionalisten, denen das Fehlen einer Krawatte schon zu weit geht.

Fette Schulterpolster und Baggypants

Manche Designer treiben es auf die Spitze: Bei Dolce & Gabbana ließ man sich von den weiten 80er-Sakkos inspirieren, nur dass die Schulterpolster ausladender und die Taillen enger waren als noch vor 40 Jahren. Dior schickte seine ernst dreinschauenden Burschen mit weiten, an Baggypants erinnernden Hosen mit Bügelfalte auf den Laufsteg. Dazu hatten sie neonfarbene, fette Skaterschuhe wie aus den 90ern an.

Der Superstar der Stunde, das Liebkind eigentlich eh aller auf diesem Erdenrund, hält auch nicht viel von schlichten Modellen. Dabei fing Harry Styles mit eher klassischen Exemplaren an. Aber da war er noch Sänger bei One Republic. Seitdem er als Solokünstler, Schauspieler, Stilikone, Gen-Z-Vorbild und mittlerweile Designer allgegenwärtig ist, zelebriert er geradezu obsessiv seine Vorliebe für ausgefallene Kreationen. Mal hängt er sich zum karierten Sakko eine Pelzstola um den Hals, dann schreckt er vor Schlaghosen nicht zurück. Ein anderes Mal ragt ein riesiger Kragen auf ein marineblaues Doppelreiher-Sakko.

Harry Styles ist kaum mehr im klassischen Anzug zu sehen.

©REUTERS/GUGLIELMO MANGIAPANE

Nicht nur in der Welt der hochpreisigen Mode gibt es farbprächtige, mit wilden Mustern ausgestattete Anzüge. Internetversandhäuser preisen um wenig Geld eine erkleckliche Zahl an ausgefallenen Modellen an. Gerade im Angebot: Stücke mit Schneemännern, -flocken oder Christbäumen. Bei Weihnachtsfeiern sind diese mittlerweile wohl genau so beliebt wie die gestrickten Ugly Christmas Sweater.

Glitzer und würziger Geruch

Für Silvester-Feten gibt es jede Menge Glitzer-Anzüge in Gold und Silber. Wer das trägt, sieht aus wie Alfred Nyssen – jener von Lars Eidinger verkörperte durchgeknallte Industrietycoon aus der Serie Babylon Berlin. Auf den Partys ist der Träger der Knüller auf der Tanzfläche, aber nicht allzu lange. Denn vom ihm wird wohl bald ein würziger Geruch ausgehen. Das Material der Kleidungsstücke ist aus Polyester, da kann es schnell heiß und schwitzig werden.

Das Unternehmen Opposuits verschickt jede Menge ausgefallene Modelle aus Polyester zu niedrigem Preis. opposuits.de
 

©Hersteller

„Das ist eigentlich gar nicht so neu, das hat es immer schon gegeben“, sagt Rudolf Niedersüß, Chef des Wiener Herrenausstatters Knize, zu diesem Phänomen. „Die Designer wollen immer etwas ausprobieren“, meint er unaufgeregt. Aber seine Kunden würden das eher selten tragen. Branchenkollege Thomas Netousek, der in der Gumpendorfer Straße Maßanzüge fertigt, ist auch selten mit ausgefallenen Wünschen konfrontiert. Aber wenn, dann richtig. „Es wollte einmal ein Herr den Anzug im selben Stoff haben wie die Polsterung auf seiner Couch, damit er beim Sitzen nicht auffällt.“

Nicht angemessen sei es, mit verrückten Kreationen auf „klassischen Anlässen wie Hochzeiten und Beerdigungen“ aufzutauchen, sagt Netousek. „Auch bei einer Bank wird es eher nicht gehen.“ Im Gerichtssaal wohl auch nicht. „Aber da hat es in der Vergangenheit Fälle gegeben, wo es eine andere Meinung gab.“

Mit Dollarnoten beim Grasser-Prozess

Anwalt Michael Dohr sorgte 2017 beim Grasser-Prozess mit einem Dollar-bedruckten Vivienne-Westwood-Anzug für Staunen und Raunen. Und für Kritik. „Es ist aber nicht nur eine Frage des guten Tons, wie man bei Gericht auftritt, sondern auch eine Frage der Wertschätzung gegenüber der Justiz. Und gegenüber der Rechtsstaatlichkeit. Ein Gerichtssaal ist kein Forum, um eine Modeschau abzuhalten“, sagte damals der Wiener Anwaltspräsident Michael Enzinger dem KURIER.

Anwalt Michael Dohr sorgte 2017 im Gerichtssaal für Aufsehen

©EPA/HANS KLAUS TECHT / POOL

Doch Dohr störte das wenig. Er wolle mit seinen bunten Looks positive Stimmung in den Gerichtssaal bringen. „Man sollte aus diesem grauen juristischen Alltag ausbrechen.“

Einer, der aus Festgefahrenem ausbrechen wollte war David Bowie – natürlich, wer sonst? Er schmiss sich in den 1970ern nicht nur in hautenge Glitzer-Overalls, sondern trug gerne Anzüge, die nicht der damaligen Norm entsprachen. In die Modegeschichte eingegangen ist der türkise Anzug mit fetter Krawatte, der das farblich passende Gegenstück zu Ziggy Stardusts orange-rot gefärbten Haaren war, und den der Star im Video zu Life On Mars trug.

David Bowie trug als Ziggy Stardust nicht nur Glitzer-Overalls.

©Michael Ochs Archives/Getty Images

Modegeschichte hat Thomas Gottschalk wohl eher nicht geschrieben. Aber seine TV-Outfits sind mindestens so bekannt wie seine Vorliebe für handgemachte Rockmusik, für zu lange Sendungen oder fürs Gästeberühren. Und wenn man schon schräge Anzüge hat, warum damit nicht ein paar Vorteile erzielen? „Mein Steuerberater fragte mal beim Finanzamt, ob ich meine Bühnenanzüge von der Steuer absetzen könne. Die Antwort lautete: ,Nein, der Gottschalk trägt ja immer so auffallende Sachen’, sagte der Showmaster einmal der Bild. Die Folge: „Das mache ich seitdem und trage jeden Wetten, dass ..?-Anzug auf.“

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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