Middle Eastern Mom And Daughter Making Selfie Via Phone Indoor
Recht kompliziert

Sind Kinder-Fotos auf Social Media okay?

Zwei Anwälte, zwei Ansichten, eine Rechtslage: Das Wiener Duo erzählt Geschichten aus seiner Ehe, beantwortet Fragen, die uns im Alltag beschäftigen, erklärt, was vor Gericht zählt – und wie er oder sie die Causa sehen.

Der Fall: Beim Abendessen zeigt mir meine Freundin ein Foto auf ihrem Handy: ihre dreijährige Tochter, lachend, mit nacktem Bauch im Planschbecken. „So süß! Das poste ich gleich auf Insta!“, sagt sie. Ich lache mit – und zögere. Klar, das Bild ist entzückend. Aber: Darf man das einfach so? Was, wenn das Foto später mal irgendwo in einem ganz anderen Kontext wieder auftaucht? Die Kleine kann nicht zustimmen – sollte man dann nicht besonders vorsichtig sein? Wo ist die Grenze zwischen süßer Erinnerung und öffentlicher Selbstdarstellung? Und was ist mit all den Kindern, deren Leben täglich in Storys, Reels und Posts gezeigt wird – oft tausendfach gelikt, kommentiert, geteilt? Ist das noch normaler Alltag oder schon Kinderarbeit? Wir haben uns die Rechtslage etwas genauer angeschaut. 

Mag. Carmen Thornton: 

Das Thema Kinderfotos auf Social Media erhitzt regelmäßig die Gemüter. Ich habe dazu eine klare Meinung: Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre und entgegen einer weitverbreiteten Meinung können die Eltern nicht ohne Weiteres entscheiden, welche Aufnahmen sie von ihren Kindern veröffentlichen. Für mich haben Kinderfotos daher im Netz grundsätzlich nichts verloren.

Nacktaufnahmen: ein No-go

Für all jene, die das nicht ganz so streng handhaben, gilt: Nacktfotos und Aufnahmen, die das Kind bloßstellen, sind tabu. Auch Fotos und Videos von den ersten Versuchen am Töpfchen oder mit breiverschmiertem Mund sind zwar süß, aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Denn was die Eltern als harmlos oder lustig empfinden, ist den Kindern später oft ziemlich peinlich. Und auch Fotos, die in guter Absicht veröffentlicht wurden, können leicht in die falschen Hände gelangen.

Harmlose, alltägliche Kinderfotos darf man natürlich an Verwandte oder Freunde schicken oder auch auf Social Media posten. Man muss sich aber bewusst machen, dass man in den Nutzungsvereinbarungen der Social-Media-Anbieter Instagram, Facebook, Tiktok, Youtube und Co. zustimmt, dass die Plattformen die Nutzungsrechte an geteilten Inhalten erwerben. Daher sollte man auch in den sozialen Netzwerken die Privatsphäre der Kinder schützen, indem man die Gesichter verpixelt oder die Kinder von hinten fotografiert. 

46-215498249

Carmen Thornton ist Rechtsanwältin in Wien.

©Thornton & Kautz Rechtsanwälte

Und man sollte so wenig Informationen wie möglich preisgeben. Wenn schon ein Foto vom Sportfest, muss man ja nicht dazu dazuschreiben, wo und wann das war, wie das Kind heißt oder welches die Lieblingssportart ist. Wenn man Fotos der Kinder verschicken möchte, nutzt man besser passwortgeschützte Filesharing-Systeme als Social Media oder WhatsApp. 

Generell gilt: Strenge Privatsphäre-Einstellungen sind besser als nichts. Aber auch in privaten Gruppen können die Mitglieder Fotos speichern, die dann vielleicht ihren Weg ins Netz finden. Da macht es dann gar keinen so großen Unterschied mehr, ob man die Fotos auf Social Media auf privat stellt oder auf WhatsApp kleinere Familiengruppen erstellt.

Obsorgeverfahren

Besonders vorsichtig sollten getrennte Eltern sein, die unterschiedliche Erziehungsansichten haben und sich vielleicht sogar in einem Gerichtsverfahren befinden. Zum einen liefern private Einblicke oftmals Munition für die Gegenseite und man findet die eigenen Postings schnell im Gerichtsakt wieder. Im äußersten Fall können Kinder sogar rechtliche Schritte gegen ihre Eltern einleiten. So können Eltern zur Löschung von peinlichen Kinderfotos gerichtlich verpflichtet oder sogar zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt werden. Dies gilt insbesondere bei Eltern, die ihre Kinder in Familienblogs kommerzialisieren und zur Schau stellen.

Johannes und ich versuchen unsere Kinder weitgehend aus Social Media herauszuhalten. Das ist nicht immer ganz leicht, weil sie unser absoluter Mittelpunkt im Leben sind. Deshalb gibt es auch ab und zu Einblicke, aber wir sprechen mit ihnen darüber und versuchen sie so weit wie möglich zu anonymisieren. Ich darf an dieser Stelle meinen absoluten Profi-Eltern-Tipp verraten: Wir haben beschlossen, selbst auf diesen Plattformen aktiv zu sein. Denn wenn die eigenen Eltern auf Social Media sind, ist das für die Kinder so peinlich, dass sie diesen Plattformen lieber fernbleiben. 

Mag. Johannes Kautz:

Ich habe lange versucht, mich von der Selbstinszenierung auf Social Media möglichst weit fernzuhalten, bin aber kläglich gescheitert. Und Carmens Profi-Tipp funktioniert so richtig gut, seitdem ich auch ab und zu mal mein Gesicht in die Kamera halte. Die Mama auf Instagram, das ging ja noch, der peinliche Vater ist wirksamer als jede Altersbeschränkung.

Aber im Ernst: Moralisierende Vorwürfe gegenüber wohlmeinenden Eltern, die ab und zu ein Kinderfoto veröffentlichen oder ihren Teenagern einen Insta-Account erlauben, halte ich für überzogen. Denn auch Kinder haben ein Recht auf Teilnahme am digitalen Leben und müssen einen verantwortungsvollen Umgang mit Social Media lernen. Für die gezielte kommerzielle Vermarktung von Kindern habe ich aber wenig Verständnis. Und auch rechtlich sind Phänomene wie „Sharenting“ oder „Kidfluencing“ eine Grauzone.

Eltern dürfen nicht alles entscheiden

Das gilt schon für die Frage, ab wann die Kinder selbst entscheiden dürfen. Datenschutzrechtlich gibt es eine klare Altersgrenze von 14 Jahren. Davor können die Eltern die Zustimmung erteilen. Beim Recht am eigenen Bild und auf Privatsphäre kommt es aber darauf an, ab wann das Kind die Folgen begreifen kann. Einige Postings von Erwachsenen lassen vermuten, dass mache dieses Alter nie erreichen. Als Richtschnur gelten aber auch hier 14 Jahre. Wenn das Kind noch nicht selbst entscheiden kann, ist aber auch die Zustimmung der Eltern nicht immer ausreichend. Die Entscheidungsbefugnis endet spätestens dann, wenn die psychische Entwicklung der Kinder gefährdet ist, und das ist in den vermeintlich „sozialen“ Medien recht schnell der Fall. 

46-215498247

Johannes Kautz ist Rechtsanwalt in Wien.

©Thornton & Kautz Rechtsanwälte

Wenn das Hobby zu Kinderarbeit wird

Auch arbeitsrechtlich droht übermotivierten Mom- oder Dadfluencern reichlich Ungemach. Dass die Kinder bei erfolgreichen Accounts immer finanziell am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt werden, wage ich zu bezweifeln. Und der Druck von Likes und Followerzahlen kann nicht nur das Selbstwertgefühl beinträchtigen, sondern lässt auch die Grenzen zwischen Hobby und Zwang verschwimmen. Wenn Kinder ihre Freizeit opfern müssen, weil Werbedeals einzuhalten sind und die Follower täglich mit neuem Content bespaßt werden wollen, ist diese Grenze definitiv überschritten.

Kinderarbeit ist in Österreich aber grundsätzlich verboten. Das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz erlaubt bis zum Alter von 15 Jahren nur vereinzelte Tätigkeiten, die keine Gefahr für die psychische Entwicklung darstellen können. Bis zur Vollendung des 13. Lebensjahres sind überhaupt nur geringfügige Haushaltstätigkeiten oder Arbeiten zu Unterrichts- oder Erziehungszwecken zulässig. Und für die typische Arbeit von Influencern (Foto- und Videoaufnahmen, die über bloße Werbefotos hinausgehen), benötigt man bei Kindern eigentlich eine Bewilligung.

Außerdem gibt es auch nach der allgemeinen Schulpflicht noch eine Ausbildungsverpflichtung. Wenn Jugendliche die Schule abbrechen und keinen Beruf erlernen, um als Influencer das große Geld zu machen, droht den Eltern nicht nur eine Verwaltungsstrafe. Noch viel problematischer sind die langfristigen Folgen, denn so schnell wie der Erfolg gekommen ist, kann die Einnahmequelle auch wieder versiegen. 

In Frankreich gibt es schon seit 2020 ein Kidfluencer-Gesetz. In Österreich steht dieser Punkt zumindest im Regierungsprogramm. Ob es sich dabei um bloße Lippenbekenntnisse handelt oder den Worten auch Taten folgen, wird sich zeigen.

Kommentare