Warum Alkohol den Sex noch komplizierter macht

Einige Menschen nutzen Alkohol, um ihre eigenen Hemmungen zu senken. Auch beim Sex. Warum das aber genau der falsche Ansatz ist.

Der amerikanische Sexualtherapeut und Psychotherapeut Marty Klein hat im Laufe seiner Praxisjahre festgestellt, dass Alkohol und Sex für viele Menschen zusammengehören. So berichtet er von einigen Fällen, wo zum Beispiel Alkohol dazu verwendet wird, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr erträglicher zu machen, statt den Partner darüber in Kenntnis zu setzen. Eine andere Patientin trank vor dem Sex, um mit ihren Brüsten, die vom Stillen ihre ursprüngliche Form verloren haben, besser klarzukommen. Und wiederum ein anderer trank, weil er ein schlechtes Gewissen hatte, da sein Sexualtrieb geringer war als das seiner Frau. Doch warum machen Menschen das? Warum greifen sie bewusst oder unbewusst vor dem Sex zu Alkohol? Ein Sexualtherapeut klärt auf.

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Was euch erwartet:

  • Darum werden Alkohol und Sex so oft kombiniert
  • Was das Problem dabei ist
  • Diese Alternativen rät der Sexualtherapeut

Darum werden Alkohol und Sex so oft kombiniert

Der Psychotherapeut Klein sieht vor allem vier Hauptgründe dafür, dass Menschen bewusst oder unbewusst Alkohol mit Sex kombinieren:

1. Analgetikum: Einige Menschen greifen zur Flasche, um körperliche Schmerzen zu bewältigen. Das müssen nicht unbedingt Genitalschmerzen sein. Auch Rücken- oder Gelenkschmerzen, Knie- sowie Hüftprobleme können dafür Auslöser sein.

2. Enthemmung: So manch einer oder eine trinkt vor dem Sex, um sich weniger um mögliche Konsequenzen, verschiedene Überlegungen oder vergangene Erfahrungen kümmern zu müssen.

3. Anti-Anxiolytikum: Auch um die Angst vor oder während des Sexes zu verringern, trinken einige. Dazu gehören klassische Ängste, aber auch Schuldgefühle, Schamgefühle und eine Reihe von Ängsten wie zum Beispiel einem zu frühen Orgasmus.

4. Aphrodisiakum: Ebenso trinken Menschen vor dem Beischlaf, um ihr Verlangen zu steigern.

Was das Problem dabei ist

Der wohl wichtigste Punkt, warum die Kombination Alkohol und Sex ein Problem ist, ist der, dass Alkohol der zentrale Bewältigungsmechanismus einer Person werden kann – und das nicht nur beim Sex. Der Alkoholkonsum ist in diesem Fall nicht selten ungefährlich für Beziehungen, Karriere und die eigene Gesundheit. Klein schreibt, dass niemand für alle Herausforderungen im Leben auf einen einzigen Bewältigungsmechanismus setzen sollte – besonders nicht, wenn dieser Risiken für die Gesundheit und Sicherheit birgt.

Ein weiteres Problem sieht der Sexualtherapeut darin, dass Alkohol vor dem Sex den Geist ablenkt und sich Beteiligte nicht auf den Akt an sich konzentrieren können. Was ironisch ist, da die meisten Sex als Quelle emotionaler Bindung ansehen. Alkohol verhindert allerdings, dass ein 100-prozentiges Einlassen stattfinden kann.

Auch können Probleme nicht durch Alkohol aufgelöst werden, wie zum Beispiel die Unzufriedenheit mit dem eigenen Äußeren oder Leistungsangst– sie werden nur temporär beiseitegeschoben.

Und dann ist da noch die Art und Weise, wie Alkohol die klare Kommunikation erschwert und Missverständnisse leichter auftreten. Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass jemand ein "Nein“ nicht ernstnimmt und Grenzen überschritten werden. Dabei ist Trunkenheit nie eine Entschuldigung dafür, jemanden zu etwas zu zwingen oder etwas zu tun, womit die andere Person nicht einverstanden ist.

Darüber hinaus erhöht sich mit dem Alkoholkonsum die Wahrscheinlichkeit, dass der Sex am nächsten Tag bereut wird. Nicht selten verleitet Alkohol zu Aktivitäten, die im nüchternen Zustand nicht getan werden würden – wie beispielsweise Sex in der Öffentlichkeit.

Diese Alternativen rät der Sexualtherapeut

Statt zum Alkohol zu greifen, rät Klein unter anderem, dass man sich überlegen sollte, welche Dinge das eigene Verlangen steigern könnten. Laut ihm könnte es ausreichen, die Tageszeit für Sex zu verändern oder selbst Hand anzulegen sowie offen mit dem Partner oder der Partnerin darüber zu reden, was man sich selbst wünscht.

Auch eine Art von Routine vor dem Sex, wie etwa Dehnübungen oder ein heißes Bad, kann helfen, auf Alkohol zu verzichten.

Darüber hinaus empfiehlt der Sexualtherapeut an der eigenen Selbstakzeptanz zu arbeiten. Ein Gespräch mit der Partnerin oder dem Partner über ungeliebte Körperteile und die Bitte, sich vielleicht weniger auf diese zu konzentrieren, könnten Zweifel ausräumen.

Ebenso rät Klein, dass man sich gut überlegen sollte, ob man Umgebungsbedingungen für Verlangen und Vergnügen hat – etwa das Tragen von Socken beim Sex oder eine abgeschlossene Tür.

Als Letztes erwähnt er, dass wer Angst vor Sex hat – vor allem mit einem neuen Partner oder einer neuen Partnerin – sollte den Sex aufschieben, bis man die Person besser kennt. Vertrauen kann helfen, Ängste zu beseitigen. 

Über Janet Teplik

Digital Producer bei freizeit.at. Nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte zog die gebürtige Deutsche nach Wien und studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Zuletzt war sie stellvertretende Chefredakteurin bei der MG Mediengruppe.

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