Warum platonische Freundschaften zwischen Mann und Frau selten sind
Eine neue Serie wirft eine alte Frage auf: Können Mann und Frau einfach so befreundet sein – oder funken zwangsläufig körperliche Anziehung und romantische Gefühle dazwischen?
Seit der Schulzeit waren Ines und Max (Namen geändert) unzertrennlich. Als Freunde, rein platonisch. Dann heiratete er, der Kontakt ließ nach, riss ab. Lange fragte sich Ines, was sie falsch gemacht hatte. Erst später fand sie den Grund heraus: Seine Frau war eifersüchtig geworden.
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Solche Erfahrungen machen viele Menschen, die mit einer Person des anderen Geschlechts befreundet sind oder waren. Immer scheinen Gefühle oder sexuelles Interesse oder eben eifersüchtige Partner in die Quere zu kommen, was in Anlehnung an den Kultfilm auch als „Harry-und-Sally-Syndrom“ bezeichnet wird (siehe unten).
Eine neue Serie des Streaminganbieters Apple TV will nun mit dem Klischee der unmöglichen Mann-Frau-Freundschaft aufräumen. „Platonic“ erzählt von den alten Kumpanen Sylvia und Will, die nach längerer Eiszeit wieder zueinander finden. Das läuft zwar nicht ohne Komplikationen, aber, ganz atypisch für Hollywood, ohne Sex und romantische Liebe.
Hintergrund
Serie
Die ersten drei Folgen von „Platonic“ sind seit dieser Woche auf Apple TV+ abrufbar
Film
„Harry und Sally“ (1989) handelt von zwei Freunden, die sich ineinander verlieben. Harrys These: „Männer und Frauen können nie nur Freunde sein, der Sex steht immer zwischen ihnen“
Forschung
52 Prozent glauben laut einer deutschen Umfrage aus dem Jahr 2013, dass eine Freundschaft zwischen Mann und Frau „nicht gut gehen kann“
Störfaktor Erotik
Die Norm abseits des Bildschirms spiegelt die Serie nicht wider: Laut Erhebungen haben bis zu 90 Prozent unserer Freunde dasselbe Geschlecht – heterosoziale Beziehungen, wie platonische, gemischtgeschlechtliche Verbindungen in der Psychologie heißen, sind also die absolute Ausnahme im Freundeskreis.
Das liegt zum Teil daran, dass die Gesellschaft von Kindheit an geschlechtstypische Hobbys und Verhaltensweisen fördert, erklärt der Psychologe Guido Gebauer. „Wir Menschen neigen aber dazu, uns mit den Menschen zusammenzuschließen, mit denen wir Hobbys teilen und zu denen wir uns ähnlich erleben.“ Eine Meta-Analyse ergab, dass Frauen und Männer zudem unterschiedliche Ansprüche an eine Freundschaft haben. Frauen legen mehr wert auf Loyalität und geben einer Freundschaft generell mehr Gewicht, was in heterosozialen Verbindungen zu Enttäuschungen führen kann.
Und noch ein Unterschied gilt als belegt: Männer begehren ihre guten Freundinnen öfter als umgekehrt. „Langfristige Freundschaften zwischen Mann und Frau sind natürlich möglich“, betont Gebauer. „Komplikationen ergeben sich vorwiegend aus dem Einfluss sexueller Anziehung oder unterschiedliche Auffassung über die Rolle der Erotik.“ Immerhin 14 Prozent aller Personen in gemischtgeschlechtlichen Freundschaften hoffen laut einer Umfrage der Kommunikationsforscherin Heidi Reeder insgeheim, dass mehr daraus wird. Sandkasten-Freundschaften sind stabiler: Je länger man einander kennt, desto seltener entsteht Anziehung.
Aufwärtstrend
„Das ist vermutlich auch ein Grund, dass sehr innige Beziehungen zwischen Frauen und schwulen Männern berichtet werden. Da fällt dieser komplizierende Faktor weg“, sagt Gebauer. Bei christlichen Fundamentalisten – wie dem früheren US-Vizepräsidenten Mike Pence – führt die Angst vor der Versuchung sogar so weit, dass sie privat keine Frau alleine treffen.
Anhand seines Portals gleichklang.de, wo Nutzer Partner und Freunde suchen können, beobachtet der Psychologe aber eine Trendwende. Mehr als die Hälfte würde inzwischen geschlechterübergreifend nach Freundschaften suchen, Tendenz steigend. „Bei Fortsetzung der gesellschaftlichen Trends wie dem Abbau von Rollenbildern erwarte ich, dass Freundschaften innerhalb des gleichen Geschlechts in Zukunft genauso oft auftreten“, erklärt er.
Auch Ines hofft nach wie vor auf ein amikales Comeback mit Max. Die Serie „Platonic“ zeigt jedenfalls, dass ein Happy End möglich ist. Auch ohne Liebe.
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