Paaradox - Szenen einer Redaktionsehe: Im Kaufrausch
Tatort Supermarkt: Während er von Produkt zu Produkt hetzt, meditiert sie vor dem Käseregal und mit den Gurkerln. Das kann nicht gut gehen – und ging auch nicht gut
Sie
Komplex: So ist das, wenn der Mann gegenüber und ich den Wochenendeinkauf gemeinsam erledigen. Auf den ersten Blick fängt alles gut an: Er sagt, dass er für sich einkaufen gehen muss, und fragt, ob ich auch etwas brauche. Jetzt bin ich aber jemand, der erst weiß, was er braucht, wenn er durch die Gänge des Supermarkts schlendert und ein Flüstern hört: „Nimm mich!“. Daher sage ich: „Hui, ich geh’ mit!“ Das findet er nur bedingt charmant, zumal er das Prinzip „bisserl schlendern, bisserl schauen“ hasst und stattdessen von Produkt zu Produkt sprintet, als würde da einer mit Stoppuhr stehen und brüllen: „Geil, heute warst du um zwölf Hundertstel schneller als das letzte Mal!“
Flitzen
Trotzdem haben wir viele Einkaufsexpeditionen unbeschadet überstanden. Zuletzt aber nicht, hier die komprimierte Version: Während ich gechillt beim Käse verweilte und über den Unterschied zwischen jungem und älterem Gouda meditierte, spurtete er von den Nudeln zu den Chips und von dort zur Zahnpasta. Derweil hatte ich mich für den reifen Gouda entschieden, gemeinsam warfen wir unsere Beute ins Wagerl, das er irgendwo stehen hat lassen, um geschmeidiger flitzen zu können. An der Kassa wunderte ich mich sehr: Der Mann kauft fünf Stangen Lauch, sieben Kiwis und zehn Paradeiser, aber keine Schokolade? Ich rief: „Sag, machst du eine Lauchkur?“ Währenddessen hörten wir in der Ferne eine verzweifelte Stimme: „Hilfe, wohin ist mein Wagerl verschwunden?“ Aha. Alles klar. In der Eile hatten wir das falsche erwischt. Wir? Er. Und während sich eine lange Schlange bildete, tauschten wir Ketchup gegen Kiwi und Pasta gegen Paradeiser. Nun äußerte ich mich kritisch über die Hufnaglsche Hektik und schenkte ihm als Dank für das tolle Kauferlebnis ein Zitat von Morgenstern: „Alle Weisheit ist langsam.“ Da sagte er nur: Eben. Ich habe noch nie behauptet, weise zu sein. Stimmt auch wieder, Hauptsache, er tut dauernd, als wäre er’s.
Er
Der überraschendste Effekt vorweg: Als wir an der Kasse mitten während des Bezahlvorgangs unsere Clown-Nummer ablieferten, riefen die Menschen nicht im Chor: „Geh’ bitte, tuat’s weiter.“ Stattdessen sprach der junge Mann hinter uns in der Warteschlange: „Also, ich find das super.“ Und die Pensionistin dahinter: „Ja, so lustig.“ Das war nett, half mir aber nur bedingt, meinen Zorn zu überwinden. Es war nämlich ich, der durch die Gänge irrte, um unser Wagerl sowie die enteignete Besitzerin zu suchen – dabei hätte ich am liebsten in eine Packung mit tiefgefrorenem Gemüse gebissen. Ich rief mehrmals laut: „Das darf doch bitte alles nicht wahr sein!“ Und es war mir völlig wurscht, dass mich die Menschen anstarrten wie einen Mönch im Bordell. Während meine Frau die Wartenden mit Anekdoten über männliche Schusseligkeiten unterhielt: Was soll man sagen, einmal steckte er eine Bananenschale in die Jackentasche und warf den Autoschlüssel in den Mistkübel. Das stimmt tatsächlich, leider verzichtete die Fließband-Entertainerin auf die Erzählung von ihrem Handy im Kühlschrank.
Sondierung
Als wir nach dem monumentalen Warentausch, den wir nur zum Schein fröhlich inszenierten, endlich draußen waren, begann die Ursachenforschung. Diesbezüglich hatten unsere Wahrnehmungen nur geringe Schnittmengen, weshalb die Analyse samt Schuldzuweisung vermutlich die Anmutung eines Loriot-Sketches hatte. Ich rekapitulierte jeden meiner maximal effizienten Sauseschritte und kam zu einem klaren Schluss: Es war gnä Kuhn, die sich im quälend gemächlichen Sondierungsprozess zwischen Essiggurken und Reiswaffeln verloren hatte, um dann verträumt zum falschen Wagerl zu greifen. Als Beweis führte ich an: „Sonst wäre dir doch aufgefallen, dass du literweise Mineralwasser spazieren führst, das niemand von uns trinkt.“ Knappe Antwort: Was weiß ich, worauf du dich plötzlich spürst. Tja, ich weiß es: getrenntes Einkaufen.
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