Paaradox - Szenen einer Redaktionsehe: Gönnjamin & Gogosmilch

Eine Tramfahrt und fünf Teenager – für das paaradoxe Duo. Die ideale Ausgangslage, um es einige Tage sehr lustig zu haben.

Sie

Man sollte sich öfter mal aus einer anderen Perspektive betrachten, zum Beispiel von oben-außen. Oder von schräg-hinten. Bitte sehr: Da saßen der Mann und ich nebeneinander in der Bim, in dicken Jacken,  mit wolligen Hauben und Schals und sahen von schräg hinten wohl aus wie zwei Muppets, die erst ein bisserl schauen und dann ein bisserl schimpfen. Waldorf-Statler-mäßig, also. Knapp vor 22 Uhr war es, wir befanden uns auf dem Weg von der Innenstadt in die Vorstadt, redeten kaum miteinander, hockten stattdessen einfach nur fasziniert bis amüsiert da.  

Boah!

Als hätten wir es im stillen Übereinkommen so ausgemacht, zog uns eine Gruppe aufgeregter weiblicher Teenager in den Bann, alle so um die 14, 15 Jahre, alle mit Smartphones in der einen Hand, während die andere im Sekundentakt fahrig in den Haaren herumzupfte. Man unterhielt sich über Schule, Mitschüler, gute und schlechte Noten sowie Schokolade: "Boah, der war legit extrem cringy. Hat zwei Tafeln auf einmal gegessen. Oder drei. I shit you not!“ Großes Trara: Gibt’s doch nicht. Voll random, der alte Gönnjamin. Darf er so, chill, Dramaqueen. So weit, so schön: Sieben Stationen später waren wir raus, mit neuem Wortschatz angefüttert und fühlten uns älter denn je. Aber nicht alt genug, um den Abend heiter weiter ausklingen zu lassen. Frei nach Erich Kästner: "Nur wer erwachsen ist und Kind bleibt, ist ein Mensch.“ 

Was soll ich sagen? Quasi synchron ging es nun los – der Mann gegenüber sagte: Da ist es legit glatt, Baby. Ich antwortete: "Chill, Bro, mach nicht auf Dramaqueen.“ Er rief: Ich sag’s ja nur – wenn du dich nicht bei mir einhängst, haut’s dich auf, I shit you not. Meinerseits kurze Denkpause wegen Wortfindungsproblemen, schließlich konterte ich mit einem: "Na, kommst du noch auf ein Achtel zu mir, alter Gönnjamin oder magst  lieber daheim napflixen?“ Und so geht das seither dahin. Stimmt, wir sind immer wieder voll komisch. Irgendwie  lost. Aber nur ein bisserl.

Er

Ich erinnere  mich gut an meinen Vater, der einst, als ich im Teenageralter mein Leben schilderte, zu mir sprach: "Bekäme ich für jedes ur aus deinem Mund zehn Schilling, wäre ich ein reicher Mann.“ Nun, im Gegensatz zum Schilling hat es das sprachliche Juwel "ur“ immerhin bis in die Gegenwart geschafft, wie uns die Jungdamenrunde in der Straßenbahn eindrucksvoll lehrte. Wiewohl sich zum beinahe altmodisch anmutenden "ur“ oder "voll“ auch Feinheiten wie "mega“ oder "sau“ gesellten. Aber Sprache lebt eben. Weshalb meine Frau und ich bei der Verabschiedung der Teenies respektvoll schmunzelten. Weil aus unserem früheren (sausimplen) "Tschau“ und "Servas“ Kreationen wurden, die uns nicht im Traum eingefallen wären. Da glänzten Sprachperlen wie "Tschüssli Müsli“, "Bis Danzig“ oder "Ciaogummi“ im Waggon, und es ist  kein Wunder, dass wir uns zwischenzeitlich anpassten. Ich sagte am Ende des Abends: "Na dann, ich verabscheue mich.“ Und sie antwortete: Alles klar, man siebt sich. 

Kind aus Ottakring

Am Tag darauf, als wir die Ereignisse Revue passieren ließen, holte gnä Kuhn zu einer Reminiszenz aus. Und erzählte vom guten, alten Baba, ich hau’ mich über die Häuser. Freilich nicht, ohne (wie so oft) voller Stolz über ihre Ottakringer Wurzeln zu schwärmen. Ich bin ein Kind aus’m sechzehnten Hieb sagte sie mit einer Miene, als wäre sie eine Gesandte aus dem Paradies. Ich erwiderte: "Möglicherweise ist das der Grund, warum du heute noch Gogosmilch und Pagettboden sagst – das k war als Buchstabe in eurem Bezirk offenbar nicht schick genug.“ Das findet sie gleichermaßen erstaunlich wie lustig. Und erinnerte mich daran, wie sie mir am Anfang unserer Beziehung leidenschaftlich ankündigte: Heut’ mach’ ich Wuchteln mit Vanillesoße. Mein Fußballerherz schlug damals höher… weshalb ich das korrekte B längst aus meinem kulinarischen Repertoire verabschiedet habe. Meine Tochter würde vielleicht sagen: "Ciaovapcici, Buchtel.“ 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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