Gabriele Kuhn und Michael Hufnagl

Paaradox. Szenen einer Redaktions-Ehe: Guten Appetit

Fein trinken, üppig und gut essen – die Pizza und das Leben, am besten mit doppelt Käse. So lautet sein hedonistisches Mantra, während sie am Tee nippt und sich wundert. von Gabriele Kuhn & Michael Hufnagl

SIE

Der Begriff "Kalorien" ist dem Mann gegenüber naturgemäß fremd, man weiß das schon. Einer, der aus Fadesse zwischendurch eine Packung Schwedenbomben und als Draufgabe ein Sackerl Sportgummi zerfetzen kann, schert sich genau Null um irgendwelche Nährwerte. Es gibt schließlich Wichtigeres in der Causa Nahrungsaufnahme. Zum Beispiel die Frage, ob der Zwiebel vom Zwiebelrostbraten eh schön knusprig ist oder die Schwiegermutter eine adäquate Menge Fleischknödel für ihn geformt hat. Und so kann ich mühelos jene fünf Sätze aufsagen, die er im Laufe seines Lebens am häufigsten formuliert hat, nämlich: 1. Könnte ich bitte vielleicht noch einen kleinen Nachschlag haben? (in jedem Urlaub, in jedem Hotel) 2. Das alles bitte ohne Gemüse, stattdessen mit viel Saft. 3. Geht das auch ohne Paradeiser (ersatzweise: Fächergurkerl)? 4. Schwierig, am liebsten würde ich vier Vorspeisen und drei Hauptspeisen nehmen, ich kann mich einfach nicht entscheiden, obwohl ich so hungrig bin! 5. Mit doppelt Käse, bitte.

Bestellung beim Universum

Doppelt Käse, ach ja. Dieses Prinzip gilt für die Omelette zum Frühstück genauso wie für eine Pizza oder den Hamburger. Genau betrachtet erstreckt sich dieser Anspruch auf sein gesamtes Leben. Könnte der Mann gegenüber eine Bestellung beim Universum aufgeben, sie würde wohl so lauten: Einmal ein sehr gutes Leben für mich, aber mit doppelt Käse (oder auch: doppelt so viel Cocktailsoße). Ja, er ist tatsächlich zutiefst davon überzeugt, sein Dasein müsse ihm stets einen Hauch mehr bieten als nur "viel": den Sieg beim Sackhüpfen, eine Wild-Card für alles lustig-leicht-Vergnügliche sowie eine Containerladung „Mach, was du magst, Schatzi – Hauptsache, es geht dir gut“ von meiner Seite. Mitunter mühsam, weil: Wenn’s nicht klappt, schmollt er. Aber so wird das Leben mit ihm wenigstens nie fad – eine Ehe mit "doppelt Käse". Und mit so mancher Tasse Verdauungstee, sehr heiß, sehr heikel.

ER:

Das Wort Kalorien fällt für mich in die Kategorie Mistrausbringen und Reizhusten. Mit dem Unterschied, dass ihm per se nichts Unangenehmes innewohnt – Energie in Lebensmitteln halt. Der in unserer Gesellschaft verlässlich alarmierende Kontext macht’s aus. Wenn ich mich also im Restaurant nach Vorspeise, Zwischengang und Hauptspeise allenfalls noch auf Palatschinken, ein Mousse au Chocolat oder eine Crème brûlée spüre, kann ich das Verdauungsschnapserl darauf verwetten, dass meine Frau lacht: Unfassbar, was du verdrücken kannst. Und übergangslos ergänzt: Du weißt aber schon, wie viele Kalorien das hat. Und so groß ihr Amüsement auch sein mag, so kann ich im über Jahre gut geprobten Schaumrollenspiel doch die Konturen des Zeigefingers erahnen.

Was daran liegt, dass ihr Kalorien-Zugang sich mehr als einen Hauch von meinem unterscheidet. Ihre fünf   Gasthaus-Klassiker lauten: 1. Ich habe irgendwie keinen großen Hunger. 2. Ich ess’ nur etwas Leichtes. 3. Kein Sprudel, nur Leitungswasser bitte! 4. Ich kann nicht mehr. 5. Ich nasch’ dann bei dir noch ein bisserl mit.
Sehr sportlichWas bei gnä Kuhn, die grundsätzlich keine Diäten macht, aber einer inneren Figur-Schwur-Spur folgt, immer geht, ist das Credo: Bitte zu Fisch! Von Carpaccio und Tartar bis Filet und im Ganzen gebraten (leider gibt es keine Desserts wie Mousse au Poisson, Zander-Crêpe oder Crème Sardine). Dass sie dabei Branzino, Seeteufel und Wolfsbarsch bevorzugt, hat natürlich nichts mit deren geringen Kalorien zu tun. Es ist reiner Zufall, dass ihr Lachs, Karpfen und Wels nicht im gleichen Ausmaß munden. Aber so oder so hat meine Frau stets das Bedürfnis, allenfalls größere Portionen (womöglich mit Knoblauch) vor sich und für mich gut hörbar zu rechtfertigen: Ich war heute eh eine Stunde mit dem Hund im Wald und bin 45 Minuten auf dem Hometrainer gesessen. "Sehr sportlich, ich nicht", antworte ich

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