Ghosting: Warum sich manche einfach nicht mehr melden

Wenn der Flirtpartner plötzlich verschwindet, ist das für viele ein Schock. Was dahintersteckt, zeigt eine aktuelle Studie.

Alles wirkt gut, doch auf einmal meldet sich der Dating-Partner nicht mehr. Ghosting heißt das Phänomen, bei dem Menschen von einem Tag auf den anderen aus dem Leben einer Person verschwinden. Sie melden sich plötzlich und ohne Erklärung nicht mehr, reagieren auch nicht auf Kontaktversuche. Meist betrifft das Affären und andere Kurzzeitbekanntschaften, die online angebahnt wurden.

Beim jeweils anderen kann das Ghosten, also das geistartige Verschwinden des Flirtpartners, ein Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit hinterlassen. Ghosting ist in sozialen Medien und auf Dating-Sites weit verbreitet, während der Pandemie nahm es weiter zu, auch weil aufgrund der Kontaktbeschränkungen und Lockdowns, persönliches Kennenlernen zeitweise nicht möglich war und Online-Dating im Allgemeinen zunahm.

Eine Studie der Psychologieprofessorin Royette Tavernier Dubar von der Wesleyan University in Connecticut, USA, zeigt, warum manche ghosten. Sie befragte mit ihrem Team 76 College-Studentinnen und Studenten. 70 Prozent der Teilnehmer waren Frauen. Sie nahmen an 20 Fokusgruppen teil, mit jeweils zwei bis fünf Studentinnen und Studenten. In den Gruppensitzungen sprachen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über ihre Ghosting-Erfahrungen, berichtet die Psychologin in einem Gastartikel in der Washington Post.

"Traue mich nicht, ihnen das zu sagen"

Die Ergebnisse: Einige der Studierenden gaben an, dass sie Ghosting betrieben, weil ihnen schlicht die notwendigen Kommunikationsfähigkeiten fehlten, um ein offenes und ehrliches Gespräch zu führen, unabhängig davon, ob dieses Gespräch persönlich, per Mail oder Kurznachricht stattfindet. Eine 19-Jährige sagte etwa: „Ich bin nicht gut darin, persönlich mit Menschen zu kommunizieren, also kann ich es definitiv nicht durch tippen oder ähnliches tun.“

Ein 22-Jähriger sagte: "Ich traue mich nicht, ihnen das zu sagen. Oder ich denke, es könnte an sozialer Angst liegen."

Am häufigsten genannt wurde mangelndes Interesse an einer Beziehung mit der anderen Person. "Manchmal wird das Gespräch einfach langweilig", beschrieb es ein Teilnehmer.

In einigen Fällen entschieden sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für Ghosting, wenn sie dachten, dass ein Treffen mit der Person emotionale oder sexuelle Gefühle wecken würde, zu denen sie nicht bereit waren.

Form des Schutzes

Manche nannten Sicherheitsbedenken als Grund für Ghosting, andere wollten sich dadurch aus einer toxischen oder unangenehmen Situation befreien. Eine 19-Jährige drückte es so aus: "Es ist sehr einfach mit völlig Fremden zu chatten, also ist Ghosting wie eine Form des Schutzes, wenn ein gruseliger Typ dich bittet, Aktfotos und solche Sachen zu schicken."

Wieder andere beschrieben als Grund für Ghosting, die Gefühle der anderen Person schützen zu wollen. Durch das Verschwinden wollten sie offenkundige Ablehnung vermeiden. So sagte eine 18-jährige Studentin etwa: "Ghosting ist eine etwas höflichere Art, jemanden abzulehnen, als direkt zu sagen: 'Ich möchte nicht mit dir chatten.‘"

Ghosten nach Sex

Ein Spezialfall ist laut Dubar das Ghosten nach Sex. Wenn jemand nur auf Sex aus war und sich danach nicht mehr meldet, ist der Grund meist, dass keine weitere Beziehung gewünscht ist. Schließlich könnte aus Sicht dieser Person mehr Kontakt als Wunsch nach etwas emotional Intimeren interpretiert werden.

Für die von Ghosting Betroffenen kann der Kontaktabbruch negative Folgen für die psychische Gesundheit haben, schreibt Dubar. "Kurzfristig empfanden viele der Geghosteten eine überwältigende Ablehnung und Verwirrung. Sie berichteten von Gefühlen eines geringen Selbstwertgefühls." Dazu trage der Mangel an Klarheit darüber bei, warum die Kommunikation abrupt abgebrochen wurde.

Von den Befragten, die bereits andere geghostet hatten, empfand etwa die Hälfte Reue- oder Schuldgefühle. Der Rest empfand allerdings keine Emotionen bezüglich des Ghostens.

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