IP camera on the shelf with toys, serving as a baby monitor
Recht kompliziert

Darf ich den Babysitter überwachen?

Zwei Anwälte, zwei Ansichten, eine Rechtslage: Das Wiener Duo erzählt Geschichten aus seiner Ehe, beantwortet Fragen, die uns im Alltag beschäftigen, erklärt, was vor Gericht zählt – und wie er oder sie die Causa sehen.

Der Fall: Unsere Freunde sind vor einiger Zeit Eltern geworden. Und da man sein Sozialleben ja nicht völlig aufgeben kann, haben wir uns langem wieder einmal zum Abendessen verabredet. Damit wir in Ruhe plaudern können, haben sie einen Babysitter engagiert, zum ersten Mal. Doch aus dem gemütlichen und unterhaltsamen Abend ist nicht viel geworden, denn die beiden haben im Kinderzimmer eine Nanny-Cam installiert und starrten den ganzen Abend gebannt aufs Handy. An ein 
ruhiges Gespräch war nicht zu denken, jedes Geräusch sorgte für Herzrasen und das Essen war genauso entspannt wie mit einem quengelnden Baby am Arm. Der Abend endete mit der Erkenntnis: Vertrauen lässt sich nicht streamen und Entspannung nicht erzwingen. Aber wie sieht das eigentlich rechtlich aus? Darf man den Babysitter filmen? Und welche Regeln gelten ganz allgemein für die Überwachung von Mitarbeitern?

Mag. Carmen Thornton: 

Das altbekannte Sprichwort „es braucht ein Dorf, um ein Kind aufzuziehen“ hat vor allem im Kleinkindalter sehr viel Wahres. Die Rund-um-die-Uhr-Betreuung ist besonders für berufstätige Eltern, die nicht auf die Familie oder ein enges soziales Netz zurückzugreifen können, eine große Herausforderung. Wer ab und zu auch noch Zeit zu zweit oder mit Freunden verbringen möchte, dem bleibt dann nur ein Babysitter. Doch vielen fällt es schwer, die Kinder einer fremden Person anzuvertrauen, denn man weiß nie so recht, ob die sich auch in unbeobachteten Momenten so liebevoll um die Kleinen kümmert.

Eine einfache Lösung sind sogenannte Nanny-Cams. Die Möglichkeiten sind vielfältig und reichen vom Babyphone mit Kamera, das unauffällig über dem Kinderbettchen hängt, bis hin zum großen Lauschangriff mit Überwachungskameras in der gesamten Wohnung. So lässt sich leicht überprüfen, ob der Babysitter motiviert ist und sich mit den Kindern beschäftigt, diese einfach nur vor den Fernseher setzt oder vielleicht sogar fremde Personen ins Haus lässt. Ganz nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Überwachung nur mit Zustimmung

Doch was den Eltern ein Gefühl der Sicherheit gibt, greift erheblich in die Privatsphäre der betroffenen Person ein. Eine versteckte Überwachungskamera ist daher keinesfalls erlaubt, ein heimlicher Lauschangriff mit Abhörgeräten wäre sogar strafbar. Der Babysitter muss daher in jedem Fall vorher informiert werden und damit einverstanden sein. Dies wird die Suche nach einem geeigneten Babysitter aber nicht erleichtern. Denn die Überwachung wird oft als Misstrauen interpretiert werden und kann auch den unbeschwerten Umgang mit dem Kind hemmen. 

Außerdem können Sicherheitslücken bei den Geräten oder der Software dazu führen, dass ein Fremder in der eigenen Wohnung mitschauen kann und die Bilder missbräuchlich verwendet werden. Überwachungskameras können auch kein Fehlverhalten verhindern, sondern nur dokumentieren. Und wenn man während der gesamten Betreuungszeit am Bildschirm „mitschaut“, ist die Entspannung während der kinderfreien Auszeit oder die berufliche Entlastung auch schnell dahin.

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Carmen Thornton ist Rechtsanwältin in Wien.

©Thornton & Kautz Rechtsanwälte

Viel wichtiger ist daher die Auswahl der Betreuungsperson. Abgesehen von einem einwandfreien Leumundszeugnis macht es daher oft mehr Sinn, den Babysitter längere Zeit gemeinsam mit dem Kind zu beobachten, zu schauen, wie das Kind auf die Betreuungsperson reagiert und wie sich der Babysitter in Stresssituationen verhält. Und so gerne sich Jugendliche auch als Babysitter ein zusätzliches Taschengeld verdienen: Auf Kinder aufzupassen, ist ein sehr schwieriger Job und bedarf einer gewissen Reife. Ab 16 Jahren darf ein Jugendlicher offiziell auch auf fremde Kinder aufpassen und sich mit Babysitten etwas dazuverdienen. 

Auf das Bauchgefühl hören

Ob man in dem Alter schon die notwendigen Fähigkeiten hat, hängt natürlich vom Babysitter ab und natürlich auch vom Alter der zu betreuenden Kinder. Wenn das Kind zu dem Zeitpunkt schon schläft und einfach nur jemand für alle Fälle im Haus anwesend sein sollte, ist das etwas anderes, als einen ganzen Tag für ein Baby oder Kleinkind verantwortlich zu sein, das gewickelt, gefüttert, gebadet und bespaßt werden möchte.

Mag. Johannes Kautz:

Wenn es um die eigenen Kinder geht, ist das Kontrollbedürfnis natürlich besonders ausgeprägt. Dennoch halte ich Nanny-Cams für entbehrlich. Denn entweder sie wiegen einen in trügerische Sicherheit oder es geht einem so wie unseren Freunden. Und wieso sollte man jemanden engagieren, der auf die Kinder aufpasst, wenn man dann erst recht wieder auf den Babysitter aufpassen muss?

Grundsätzlich ist es aber verständlich, wenn man wissen will, was die Mitarbeiter in der bezahlten Arbeitszeit so tun und lassen. Denn nur durch eine Überprüfung der Arbeit lässt sich feststellen, wer seine Leistung bringt und wer nicht. Und ohne ein Mindestmaß an Kontrolle wird sich früher oder später der Schlendrian einstellen. Eine Arbeitszeiterfassung und interne Kontrollsysteme gehören nicht nur zur Mitarbeiterführung, sondern sind auch aus rechtlichen Gründen notwendig.

Verbot der Videoüberwachung

Die Videoüberwachung zur Mitarbeiterkontrolle ist aber verboten. Nur wenn dies zur Aufklärung von Straftaten oder zum Schutz der Mitarbeiter notwendig ist, dürfen bestimmten Räume (z. B. Foyers) überwacht werden. Solange die Mitarbeiter dabei nur ausnahmsweise und eher zufällig gefilmt werden, ist auch eine Zustimmung nicht erforderlich, befinden sich die Mitarbeiter hingegen regelmäßig im Blickfeld der Kamera, besteht ein Mitbestimmungsrecht.

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Johannes Kautz ist Rechtsanwalt in Wien.

©Thornton & Kautz Rechtsanwälte

Für alle Kontrollmaßnahmen gilt: Wird die Menschenwürde berührt, ist die Zustimmung des Betriebsrates oder der betroffenen Mitarbeiter notwendig. Anwesenheitskontrollen durch Stechuhren oder Zugangskarten sind zwar ebenso unbedenklich wie regelmäßige Leistungsüberprüfungen, eine Überwachung auf Schritt und Tritt ist jedoch nicht erlaubt. Vor einigen Jahren entschied der OGH, dass die GPS-Ortung der Dienstwagen von Außendienstmitarbeitern zustimmungspflichtig ist. Dasselbe gilt für biometrische Zutrittskontrollen (z. B. Fingerscanner). Auch bei Systemen, mit denen der Inhalt der eMails oder das Surfverhalten überwacht werden kann, ist eine Zustimmung einzuholen, und zwar selbst dann, wenn die Privatnutzung verboten ist.

Überwachung im Homeoffice

Im Homeoffice besteht oft ein besonderes Kontrollbedürfnis. In der Corona-Pandemie erlebten sogenannte „Bossware“-Systeme einen regelrechten Boom. Hier ist aber Vorsicht angebracht. Softwaresysteme, die Einblick in die Bildschirminhalte ermöglichen oder die Tastatureingaben protokollieren (Keylogger), sind selbst mit Zustimmung nicht erlaubt. Ob solche Maßnahmen viel bringen, darf ohnehin bezweifelt werden. Denn Mitarbeiter, die produktiv arbeiten und sich auch mal eine Pause gönnen, sind definitiv besser alle solche, die alle paar Minuten die Maus bewegen, um den Anschein der Geschäftigkeit zu wahren, aber gedanklich schon im Wochenende sind. Sinnvoller als die Kontrolle der vermeintlichen Betriebsamkeit ist eine Überprüfung der Leistung.

Unzulässige Überwachungsmaßnahmen können finanziell unangenehme Konsequenzen haben. Denn bei Datenschutzverletzungen und schwerwiegenden Eingriffen in die Privatsphäre werden auch immaterielle Schäden ersetzt. Und neben Schadersatzzahlungen drohen auch hohe Strafen. In größeren Betrieben kann da schnell einmal eine hohe Summe zusammenkommen.

Außerdem sollte der Grundsatz „Transparenz schafft Vertrauen“ immer für beide Seiten gelten. Und Freiräume fördern Kreativität. Mitarbeiter, die sich wertgeschätzt fühlen, bringen meist bessere Leistungen.

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