"Schatz, mit dir ist es am schönsten": Warum wir unsere Beziehungen schönreden

Auch wenn die Partnerschaft nicht gut läuft, es könnte ja noch schlechter sein: Diese Studie zeigt, wie wir unsere Beziehungen idealisieren.

"Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung. Heute ist alles in Ordnung, das ist unsere Illusion", schrieb bereits der Philosoph Voltaire. Diese Einstellung dürfte vielen von uns bekannt sein, wenn es um die Qualität unserer Beziehungen geht. Auf die Frage "Na, wie läuft's denn bei euch?" bekommt man häufig Antworten wie "Passt eh alles" oder "Besser als früher". Weder seinem Gegenüber noch sich selbst gesteht man gern ein, dass die Partnerschaft grad kriselt - und es überhaupt nicht besser ist als früher. Aber wieso gaukeln wir uns lieber selbst etwas vor, anstatt den Tatsachen ins Auge zu sehen? 

Eine Studie der kanadischen Carleton University befragte 1000 Personen zur Qualität ihrer Beziehung.

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1.000 Paare wurden befragt

Eine Forschergruppe der kanadischen Carleton University beschäftigte sich mit der Frage, warum wir unsere Partnerschaften schönreden. Dafür befragten die Wissenschaftler um Psychologin Johanna Peetz 1.000 Personen zur Qualität ihrer Beziehung. Ein halbes Jahr später wurden die Probanden erneut befragt. Dabei sollten sie vor allem den Zustand der gemeinsamen Liebe in der Rückschau bewerten. Die Ergebnisse waren durchaus überraschend. 

Fortschritte erzielen

"Menschen ist es sehr wichtig, Fortschritte zu erzielen", halten die Wissenschaftler im Journal of Social and Personal Relationships fest, "deshalb erinnern sie sich gern auf eine Weise an ihre Vergangenheit, als wären sie vorangekommen." Wie das funktioniert? Durch die passende Bezugsgröße. Das aktuelle Unglück lässt sich leichter verkraften, wenn es in der Vergangenheit schon mal viel schlimmer war. Auf diese Weise gaukeln wir uns selbst einen Fortschritt vor, den es in Wirklichkeit gar nie gegeben hat. Dabei geht es gar nicht darum, anderen etwas vorzumachen, sondern vielmehr uns selbst. Eine verzerrte Erinnerung ist schnell mal produziert, wenn es der Selbsterbauung dient.

Zurück zur aktuellen Studie: Nach einem halben Jahr zogen die Teilnehmer der Umfrage Bilanz, wie zufrieden sie im Vergleich zum damaligen Zeitpunkt ihrer Beziehung waren. Was dabei herauskam, ist durchaus interessant: Wer zu Beginn der Umfrage schon in einer Krise war, neigte eher zu einem übertrieben abwertenden Blick zurück, der von der damaligen Einschätzung abwich. Nach dem Motto "Es läuft jetzt zwar nicht gut, aber damals war es noch schlimmer - es geht klar bergauf." Funktionierte die Partnerschaft bereits vor sechs Monaten gut, so fiel auch die Erinnerung dieser Studienteilnehmer realistischer aus. Je schlechter die Beziehung also läuft, desto stärker neigen wir dazu, Erinnerungen aus der Vergangenheit zu verzerren. 

Kein Liebes-Phänomen

Dieses Verhaltensmuster kommt laut Forschern nicht nur in Beziehungen vor. In einer Studie redeten sich zum Beispiel Studenten ein, dass ihre Leistungen vor vier Monaten schlechter waren als heute. Nur in den wenigsten Fällen stimmte das, doch das Gefühl des falschen Fortschritts übertrumpfte die Erinnerung an das eigentliche Versagen. Das Phänomen lässt sich auch auf Alkohol-Konsum ummünzen: Wer zu viel Alkohol trinkt, kann sein Gewissen per historischem Pseudovergleich beruhigen. Früher habe ich noch mehr gesoffen.

Unser Euphemismus-Schalter wird eben erst dann aktiviert, wenn es gerade nicht so gut läuft. Besonders in der Beziehung zu uns selbst. 

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