Wie das älteste Bier Deutschlands schmeckt
Deutsche Wissenschafter verkosteten ein 137 Jahre altes Bier – dank perfekter Lagerung schmeckte das untergärige Lagerbier aus der Zeit des deutschen Kaiserreichs elegant und schlank.
Aromen von Sherry, Port und Zwetschken – das Lagerbier überzeugte die Verkoster von seinem eleganten, schlanken Stil und seinem Duft. Mit Korken, Draht und mit Wachs versiegelt sowie stehend fanden die Wissenschafter der TU München die perfekten Lagerbedingungen für die Bierflasche aus dem Jahr 1885 vor.
"Es war sehr harmonisch im Gesamteindruck und in der Bitterkeit. Insgesamt ist es ein sehr schlankes, elegantes, harmonisches Bier, das immer noch ganz hervorragend riecht und schmeckt", berichtet Martin Zarnkow vom Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität.
Unverdorben
Die norddeutsche Privatbrauerei Ernst Barre war mit ihrem hopfigen Schatz selbst an das wissenschaftliche Team herangetreten, da die Methoden für solch eine sensorische und chemische Analyse mittlerweile ausgereift sind, wie Zarnkow im Interview mit dem KURIER erzählt. "Wir haben das Versprechen gegeben, dass wir die Muster nur mittels einer feinen Kanüle aus der Flasche ziehen – der Korken blieb unangetastet und die Flasche fast voll."
Wie das sein kann, dass ein 137 Jahre altes Bier aus der deutschen Kaiserzeit nicht schal schmeckt? "Auch ein heutiges Bier über dem Haltbarkeitsdatum schmeckt nicht schal: Das Bier würde vielleicht etwas dunkel und Trübungspartikel könnten sichtbar werden, vielleicht hätte sich die Aromatik ein bisschen verändert, aber es wäre nicht kaputt. Wenn ein Bier wirklich schal schmeckt, war der Verschluss nicht korrekt auf der Flasche."
Gerstensaft
Chemie
Bier entsteht durch Gärung von Zucker, der aus der Stärke von Getreidesorten gewonnen wird
Begriff
Das Wort Bier könnte vom spätlateinischen Begriff biber für Getränk stammen
5.000 Jahre alt
Das älteste Bierrezept der Welt kommt aus China. Den ältesten Braubetrieb fand man in der Rakefet-Höhle in Israel: Vor 13.000 Jahren braute man hier Bier aus wilden Weizenarten
Aufgrund von Alkohol, Hopfengehalt und CO2-Atmosphäre können nur wenige Mikroorganismen im Bier wachsen, zudem kann kein Schimmel entstehen.
Auch dank kühler Lagerung mit möglichst wenigen Standortwechseln der Flasche war der Trinkgenuss in keiner Weise beeinträchtigt. Den Forschern bot die chemische Analyse der Zusammensetzung des Gerstensafts einzigartige Einblicke in die Braukultur des späten 19. Jahrhunderts: Die Bierprobe wurde mit den molekularen Profilen von 400 modernen Bieren verglichen und als helles Lagerbier eingeordnet: Durch den Abgleich ist "eine Datenbank entstanden, die es nun ermöglicht, die Technologie hinter einem Produkt zu verstehen".
Reinheitsgebot
Produktionsschritte wie Mälzen, Würzeaufbereitung, Gärung, Filtration und Lagerung haben molekulare Abdrücke hinterlassen: Abgesehen von einer starken Oxidation der Hopfenbestandteile ist das historische Bier mit modernen, industriell gebrauten Bieren vergleichbar. Was Zarnkow überraschte: "Es wurde nach dem Reinheitsgebot gebraut und entsprach komplett den damals veröffentlichten Charakteristika." Denn zur damaligen Zeit wurde im ostwestfälischen Lübbecke nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut.
Übrigens handelte es sich bei der Verkostung um das älteste Bier Deutschlands.
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