Kan Zuo mixt Cola Rot

Spritzer mal anders: Rückkehr der Glorreichen Drei

Weiß-Süß, Wermut und Cola Rot? Drei der besten Barkeeper Wiens zeigten beim freizeit.live-Event, dass in manchen Drinks viel mehr steckt, als man gemeinhin glaubt.

Manche Dinge weiß man gar nicht richtig zu schätzen. Vielleicht, weil sie einem zu nahe sind. Man ist sie gewohnt wie einen langjährigen Partner, mit dem man gut harmoniert, den man aber kaum mehr als etwas "Besonderes“ sieht. Da braucht’s dann oft einfach jemanden von außen, der einem die Augen öffnet, darauf aufmerksam macht, WIE besonders und auch vielseitig der alte Gefährte ist.

Fragt man Kan Zuo, den Chef der Cocktail-Bar "The Sign“, nach seiner Einschätzung des weißen Spritzers, sagt er: "Fantastisch! Das ist DER ur-österreichische Cocktail.“ Auf verwundert hochgezogene Augenbrauen antwortet der Mann, der zu den besten Barkeepern Europas zählt, mit einem freundlichen Lächeln. "Man mischt zwei verschiedene Getränke. Damit ist einmal die Grundvoraussetzung erfüllt.“ Was ein Campari Soda kann, kann der weiße Spritzer also schon lang!

Weißer Spritzer 2.0

Weißer Spritzer 2.0

©Melanie Panozzo

"Und es gibt  ja tatsächlich einige Variationen des klassischen weißen Spritzers – die werden nur kaum mehr verlangt, zumindest hier in Wien nicht“, erklärt Kan Zuo weiter. Ja, genau, er spricht von beinahe vergessenen Klassikern wie Weißwein mit Sprudellimo, also "Weiß süß“, wie der Tiroler sagt, und Cola Rot. Wenn das nicht nach Abenteuer klingt!

Beinahe vergessene Freunde

Das Wichtigste, und da spricht Kan Zuo praktisch für die Gemeinschaft der Barkeeper weltweit, seien erst einmal die Zutaten. Grundbestandteil dieser Cocktails ist der Wein, der muss passen, und so hat er sich mit Manuel Humer, Jonior-Chef des seit langem etablierten Weinguts in Mühlbach am Manhartsberg und dem Sommelier Pascal Krasa zusammengetan. Neben dem Wein war für Kan Zuo auch enorm wichtig, was traditionellerweise zu Spritzern gegessen wird. Auch in dieser Angelegenheit lag der renommierte Mixologe, dessen Wurzeln an der chinesischen Seidenstraße liegen, im niederösterreichischen Mühlbach richtig.

Weingut Humer

Manuel Humer (mit Brille), Junior-Chef des bekannten Weinguts und Mitinitiator der „neuen Spritzer“

©Thomas Singhofer

Denn dort gibt’s beim Heurigen keine internationale warme Küche, sondern regionale Spezialitäten, wie’s halt schon immer war, Speck, Bauchfleisch, Käs, Grammelaufstrich. Herrlich.

"Für den klassischen weißen Spritzer wollte ich genau dieses Rauchige einfangen, das wir am Speck so lieben“, erklärt Kan Zuo seine erste Kreation. Wie er das macht? Zum Grünen Veltliner gibt er einen extrarauchigen Whisky, nämlich einen Islay Single Malt, dazu einen Spritzer Ananassaft, Limette, Honig, natürlich Soda – und eine Gurke für den Frischekick. Eine Kreation, die beim freizeit.live-Event unglaublich gut ankam.

"Gar nicht so süß!“

Auch das Problem mit dem normalerweise immer viel zu pickigen süßen Spritzer löste der Barkeeper ausgesprochen kreativ. Den in vielen anderen Weingegenden leider vernachlässigten Roten Veltliner kombiniert er mit Birnen-Brand, fermentiertem Rhabarber und, eh klar, Almdudler. Das Ergebnis: "Herrlich!“ und vor allem: "Gar nicht so süß!“, wie die "freizeit"-Leser urteilten.

Und schließlich kommt auch das vielgeschmähte Cola Rot zu Ehren. Kan gibt zu einem kräftigen Zweigelt etwas Thymian, eine Portion Erdbeer-Brand, einen Beeren-Cordial und einen Schuss Coca-Cola.

Im Team mit dem von Humers Heurigen servierten, herrlich zartem Bauchfleisch auf Landbrot erwies sich auch dieser "Spritzer“ beim freizeit.live-Event als beinahe unwiderstehlich. Prost und Mahlzeit!

Zwei Underdogs im Hoch

Noch zwei alkoholtechnische Underdogs wurden beim großen -Event ins rechte Licht gerückt. "Wermut-Bruder“ Bert Jachmann (liquidmarket.com) demonstrierte die Vielfalt des mittlerweile durchaus trendigen, vom Artemisia Absinthium geprägten, Würzweins. Der im 20. Jahrhundert in Verruf geriet, weil eben allzu oft einfach Fusel mit Zucker, Gewürzen und Alkohol aufgepeppt wurde. Damit ist jetzt Schluss, wie Jachmann mit einem Querschnitt aus österreichischen, französischen und italienischen Wermuts bewies.

Ja, auch Wien war und ist eine echte Wermut-Metropole.

 

Jachmann und Wermut

Der deutsche Barkeeper und Erfinder des "Liquid Market"-Events Bert Jachmann wurde in Wien zum Wermutbruder

©Liquid Market / OTS/ Liquid Market / OTS

Während Whiskey-Schnösel weltweit von schottischen Single-Malts schwärmen, bekam der Bourbon lange Zeit sein Rocker-Image nicht los. Lemmy Kilmister lässt grüßen, und wir wollen natürlich auch das Jim-Beam-Cola aus der Dose nicht vergessen. "Bourbon stand lange für, wenn man es elegant ausdrücken will, raue Männlichkeit“, erklärt Heinz Kaiser, Chef der Dino’s Apothecary Bar.

Dabei, so der höchstausgezeichnete Barkeeper des Landes, sei Bourbon durchaus vielschichtig und elegant und eröffne höchst komplexe Geschmacks- und Aromawelten. "International ist er auch seit einigen Jahren bereits im Trend. In Österreich dauert es nur manchmal ein wenig länger“, fügt er hinzu.

Heinz Kaiser "Dino's Bar"

Spitzen-Barkeeper Heinz Kaiser ist studierter Apotheker. Deshalb auch der Name seiner Bar: „Dino’s Apothecary Bar“

©Kurier/Gerhard Deutsch

Dass dies neben Edel-Destillerien wie Buffalo Trace auch die Großen können, die mit ihren Massenprodukten mitverantwortlich  für den zweifelhaften Ruf des Bourbons sind, zeigte Kaiser anhand ausgewählter ausgezeichneter Whiskeys aus den Häusern Four Roses und Jim Beam.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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