Schöner Mittagessen: Österreichische Gourmetkantinen

Zunehmendes Qualitätsbewusstsein fordert auch bei Kantinenkonzepten ein Umdenken. Wie aus reinen Versorgungsstätten edle Gourmetadressen werden und wo es diese jetzt schon gibt.

Hokkaido-Gulyás, Topinambur Schaumsuppe, Acai-Bowl oder Freilandhuhn mit Rosmarinkartoffeln. Saisonal, bio, regional, nachhaltig. Dazu eine große Auswahl an veganen und vegetarischen Genüssen – Wohlfühlambiente inklusive. Was wie ein kulinarisches Potpourri eines Haubenlokals klingt, sind aktuelle Angebote an Speisen und Wertvorstellungen innovativer heimischer Kantinen, die neue Wege rund um das Thema betriebliche Esskultur beschreiten.

Innovative Gastrokonzepte

Das verstaubte Flairalter Betriebskantinen ist auch hierzulande zunehmend Einheitsbrei von gestern. So haben sowohl dunkle Holzvertäfelungen und verblasste Kunstpflanzen ausgedient, als auch zerkochtes Gemüse, stundenlang aufgewärmte Lebensmittel und Großküchendüfte via Fritteuse. Innovative Gastrokonzepte für Betriebe werden heute von engagierten Profis umgesetzt und sprechen oft große Unternehmen an, die mit ihrer Verpflegungsstrategie einen Mehrwert hinsichtlich Employer Branding generieren.

Genuss und Entspannung

Google, Spotify, Dropbox & Co. haben es vorgemacht: „In ihren Betriebsrestaurants geht es nicht mehr um schnelle Kalorienaufnahme. Es geht um Genuss, bewusste Entspannung sowie um Kommunikation, um Vernetzung und kreativen Austausch“, bringt Ernährungsexpertin und Trendforscherin Hanni Rützler den Perspektivenwechsel auf den Punkt. „Betriebskantinen sind – dank ihrer Größe – die Tanker der Gastro-Branche und vergleichsweise schwer zu manövrieren. Dennoch ist das Angebot in den meisten Unternehmensrestaurants deutlich vielfältiger geworden.“ Schließlich sei betriebliche Esskultur Ausdruck der Wertschätzung für Mitarbeiter.

Qualität und nachhaltige Konzepte

Smarte Unternehmensleader achten daher immer mehr auf Qualität, Vielfalt und nachhaltige Gaumenkonzepte. Denn die Zufriedenheit der Angestellten mit dem kulinarischen Angebot hat Umfragen zufolge nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die langfristige Treue zum Unternehmen. Gleichzeitig bieten kreative, zeitgemäße Konzepte die Möglichkeit, wirtschaftlich auch in Krisenzeiten zu überleben.

Die "Kantina Arravané" der Merkur Versicherung in Graz vermittelt ein Gefühl von Auszeit, ohne Stress und Massenabfertigung

©gerhard wasserbauer

Eines dieser Kantinenupgrades befindet sich im neuen Merkur Campus in Graz. Hier werden in der „Kantina“ und im „Kafé Arravané“ (arravane.at) nicht nur die Mitarbeiter des Versicherungsunternehmens, sondern auch andere Gäste kulinarisch verwöhnt. Statt aufgewärmter Massenverpflegung besticht die Kantina Arravané neben ihrem dualen Nutzungskonzept durch schlichte Gemütlichkeit, viel Holz von einer steirischen Tischlerei, Licht und frisches Grün. Von Montag bis Freitag werden hier täglich wechselnde Menüs (neue Fisch-, Fleisch- oder vegetarische Variante als Hauptgang) sowie ein zusätzlicher Hauptspeisensalat angeboten, um den Gästen gesunde, abwechslungsreiche Ernährung zu ermöglichen.

Regionale Produzenten

„Wir arbeiten eng mit regionalen Produzenten zusammen, um Frische zu garantieren und den ökologischen Fußabdruck möglichst klein zu halten. Für alle Unverträglichkeiten oder Allergien können die Gerichte immer angepasst oder speziell vorbereitet werden“, sagt der Eigentümer Konstatin Filippou. Die Menüpreise bewegen sich zwischen 12 und 15 Euro, auf der Abendkarte zwischen 25 und 30 Euro. Merkur-Mitarbeiter erhalten vom Unternehmen eine Stützung zum Menüpreis. „Jedes Essen wird frisch und à la Minute gekocht und von Servicemitarbeitern am Tisch serviert – also richtiger Restaurantbetrieb anstelle eines Buffets“, so der Grazer Spitzenkoch mit griechischen Wurzeln.

Gesunde Snacks in der Pause

Zusätzlich bietet das Kafé Arravané in der Conrad-von-Hötzendorf Straße eine Vielzahl an köstlichen, gesunden Snacks. So kann man sich gleich morgens seinen Vitaminbooster in Form einer Acai-Bowl oder eines selbst zusammengemixten gepressten Saftes holen. Die Aufstriche für Weckerl sind selbst gemacht, und jeder Gast kann sich sein Gebäck auch individuell füllen lassen. Neben dem Mittagsservice besteht auch von Mittwoch bis Freitag abends die Möglichkeit, fernab der Arbeit mit Freunden und Familie ausgezeichnetes Essen und guten Wein zu genießen.

"Hannahs Speisesaal" im Wiener Regierungsviertel Landstraße setzt auf Regionalität

©MATOJOHANNIK

Ein Erfolgskonzept ist auch „Hannahs Speisesaal“ in der Vorderen Zollamtstraße in Wien-Landstraße (hannahs-speisesaal.at). Das Betriebsrestaurant im größten Regierungsviertel Wiens besticht durch Qualität, faire Preise (Suppen ab 2 Euro, Hauptgerichte ab 5,90 bis 9,80 Euro, Dessert ab 2 Euro) und rasche Bedienung sowie Take-away für alle, die sich das tägliche Kochen zu Hause sparen wollen. Heimische Küchentradition wird hier ebenso bedient wie multikulturelle Aspekte und der vegetarische Mittagstisch.

Neue Kantinenkultur

Hannahs Meetingservice für Offices im Einzugsgebiet runden das Serviceportfolio ab. „Wir kochen richtiges Essen, Convenience ist Fremdwort für uns“, betont die Chefin Hannah Neunteufel. „Wir setzen auf gekochtes Fleisch, Gemüsegerichte, Aufläufe und Pasta. Frittiert wird selten – das tun eh die anderen.“ Ein Highlight sei die Livestation: „Hier werden sensible Speisen à la Minute zubereitet – etwa Pasta, Risotto, geröstete Knödel mit Ei, Burger, Gyoza, rosa Roastbeef, Kalbsrückensteak.“ 2021 wurde zudem der Schwerpunkt „Harvesting Home (HH)“ ins Leben gerufen. Diese neue Kantinenkultur bietet kulinarische Schmankerln, die zu 99 Prozent mit Produkten von Bauern, Gärtnern und Herstellern aus der nahen Umgebung zubereitet werden.

Ausschließlich aus Österreich

Je näher, desto lieber – ausschließlich aus Österreich ist hier die Devise. Waldviertler Erdäpfel, Wiener Zucchini, steirische Eier oder Seewinkler Paradeiser, Schafskäse aus der Wachau oder Mostviertler Fleisch – alles aus dem „Der Esel könnte es auch bringen“-Radius kommt direkt in die Gourmet-Großküche. Die Vorteile seien vielschichtig: „Bei HH wird auch der Wert des Tieres neu betrachtet und gewürdigt. Die Fleischgerichte und -mengen reduzieren sich naturgemäß.“ Die innovative Chefin will aber noch mehr: „Wir servieren neue Lebenswerte, kultivieren verantwortungsvollen Konsum und sorgen für ein Egoismus-Upgrade: den schnellstmöglichen lokalen Aufschwung. Dadurch fördern wir gemeinsam die kleinen und mittleren Produzenten – und damit letztendlich die heimische Wirtschaft.“

Keine Lebensmittelverschwendung

Abgerundet wird das Nachhaltigkeitskonzept durch das Angebot „Weekend to go“: Um der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken, werden jeden Freitag ab 14 Uhr (solange der Vorrat reicht) alle köstlichen Frischgerichte als Weekend-Take away um nur vier Euro angeboten. „Die Gäste können ihre eigenen Boxen mitbringen oder eine unserer spülmaschinenbeständigen, wieder verwendbaren und recycelbaren Boxen um 50 Cent verwenden.“ Hannahs Speisesaal hat aktuell werktags von 11:30 bis 14 Uhr geöffnet. - Susanna Sklenar

©quartier sechs/Eurest

Weitere innovative Betriebskantinen

Quartier Sechs. Der Austria Campus (quartiersechs.at) lädt via Eurest Restaurationsbetriebsges.m.b.H. auf 10.000  zu einer kulinarischen Weltreise ein. Auf zwei Ebenen bieten vier Restaurants und zwei Kaffeebars Köstlichkeiten für jeden Geschmack. Neben den 5.300 Angestellten der UniCredit Austria sind auch Privatpersonen willkommen. Mo-Fr: 11 bis 18 Uhr.

Minoritenstüberl. In der Kantine des Bildungsministeriums (andiwojta.at) bereitet Andi Wojta und Team für die Gäste bis zu 16 verschiedene Gerichte mit viel Liebe zum Detail zu. Das Hauptaugenmerk liegt auf der traditionellen Wiener Küche. Mo-Fr: 11:30 bis 13:30 Uhr.

Kim Chingu. Als Betriebsrestaurant einer Steuerkanzlei (kimkocht.at) in Wien konzipiert, verwandelt sich der Ort abends in ein reguläres Lokal für Friends- und Family-Style-Dinner. Mo-Fr: 13 bis 15 Uhr, 18 bis 22 Uhr.

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