Preiselbeeren

Marktgeschichten: Preiselbeeren als Leckerbissen

Marktgeschichten, Folge 53: Nicole Ott schreibt an dieser Stelle einmal im Monat von inspirierenden Gesprächen rund um saisonale Produkte und kreiert exklusiv für die ein Rezept damit.

Ich eile über den Markt und genieße die Sonnenstrahlen, die mir ins Gesicht scheinen. Auch wenn die hellen Stunden von Tag zu Tag abnehmen, kann die Oktobersonne doch noch gut wärmen. Da fällt mein Blick auf eine Schachtel tiefroter, praller Beeren. "Schau mal, es gibt frische Preiselbeeren", lacht Erol mich an.

Sofort denke ich an das letzte Wochenende in den Bergen. Ich konnte den Liebsten überreden, im Morgengrauen aufzustehen, um eine Wanderung mit den Hunden zu unternehmen. Welch Herbstzauber erwartete uns: Der Mond schien als Sichel vom Firmament, zarte Nebelschwaden hingen im Tal, während die Bergkuppen bereits von der Morgensonne beleuchtet waren.

Wir wanderten schweigend dahin, nur die Kuhglocken bimmelten fröhlich drauflos. Wenn es doch nur so romantisch geblieben wäre! Aber nein, meinen Liebsten, sonst recht forsch im Leben unterwegs, verlässt der Mut, sobald er durch Kuhhorden wandern muss. Und so war er schwuppdiwupp plötzlich im angrenzenden Wald verschwunden, als ein junger Stier in flottem Trab auf mich und mein altes Hundemädchen zulief.

"De san jo nur neugierig!", hallte in meinem Kopf, der tröstende Spruch der Einheimischen, wenn sie über uns Städter und die Kuhangst schmunzeln. Die rettende Lichtung war nah und dort überraschte mich ein Preiselbeerschlag, der mein Herz höher schlagen ließ.

"Hast du gewusst, dass Preiselbeeren seit prähistorischer Zeit gesammelt werden?“, fragte ich den Liebsten. Heute werden sie "Super-Food" genannt, weil sie als Heilpflanze so gesund sind. Sie wachsen auch in Gegenden mit starkem Frost und können dort nur überleben, weil die Schneedecke isolierend wirkt. Bei uns werden sie auch Granten genannt. "Morgen backe ich uns einen Birnenkuchen, der schmeckt mit Grantenschleck noch besser!", sage ich."Das ist doch Preiselbeermarmelade mit Schlagobers, oder?", fragt er, während wir bloßfüßig durch den Fluss waten müssen, weil uns der wilde Stier auf die falsche Seite getrieben hat.

Zuhause überlege ich mir, was ich aus den paar Handvoll frischer Preiselbeeren zaubern könnte. Ich habe eine unbändige Lust auf Topfenkuchen, dazu ein paar Löfferl frische Preiselbeermarmelade mit einem Hauch Orange. Oder doch innovative, buttrig-blättrige Käsescones mit frischen Preiselbeeren, die säuerlich im Mund aufplatzen? "Mach lieber Scones“, meint der Liebste. "Die machen nicht so viel Arbeit, weil du sie nur mit frischen Früchten zubereiten kannst."

Was der Liebste nach so vielen Jahren mit mir vom Kochen und Backen versteht, ist erstaunlich. Und so lassen wir uns am späten Nachmittag, müde und hungrig von der frischen Waldluft, die warmen Scones schmecken. Gut, dass wir gestern auf dem Markt frischen Sturm gekauft haben, so wird’s ein richtig gemütlicher Herbstabend.

Tipp

Die Früchte müssen leuchtend rot sein, erst dann sind sie reif.

Nicole Ott ist Köchin, Gastronomin und Kochbuchautorin. Am Wiener Kutschkermarkt führt sie das Café Himmelblau.

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