Marktgeschichten: frische Zitronenverbene, Apfelminze und Marillen
Geburtstagskinder gehören immer verwöhnt. In diesem Fall gibt es nach dem obligaten Kuchen auch noch ein elegantes Dessert, passend zum Sommersonnenschein und zu lauen Abenden im Freundeskreis.
Von Nicole Ott
Ich spaziere an diesem sonnigen Tag über den Markt, wo es nach dem Junitrubel ruhig und beschaulich zugeht. Die Kinder haben zwei Monate schulfrei. Hurra! – und so gleitet die Stadt langsam immer mehr in die Sommerruhe, die Mitte August ihren Höhepunkt findet. Am Ende des Marktes, wo die Fußgängerzone auf die geschäftige Straße trifft, ist Emils Gemüse- und Obststand. Mit ihm verbindet mich eine besondere Beziehung, war er doch mein erster Geschäftspartner in den Jahren nach der Eröffnung des Cafés.
Ich betrachte voller Entzücken die vielen Kräutertöpfe, die in Reih und Glied auf den Holzregalen stehen. Neben den üblichen Verdächtigen wie Rosmarin oder Basilikum bestaune ich die selteneren Kräuter wie Brunnenkresse, Waldmeister oder Zitronenverbene. Da kommt mir der besondere Geburtstagsabend mit lieben Freundinnen in den Sinn, den wir vor ein paar Tagen veranstaltet haben. In dieser Runde sind wir für jeden Unsinn zu haben, und so wurde am Ende des letzten Jahres die Idee geboren, Geburtstage zu tauschen. Gesagt, getan, die Daten wurden auf Zetterln geschrieben und jede hat ihren „neuen“ Geburtstag gezogen.
Traditionell wird für jedes Geburtstagskind in der Runde ein Überraschungsprogramm geplant, das dieses Mal allerdings wegen eines Unfalls und des Wetters buchstäblich ins Wasser gefallen ist. Schnell wurde umdisponiert und ein gemütlicher Nachmittag bei mir vorbereitet. Das „Geburtstagskind“, eigentlich im November geboren, konnte sich das Lachen kaum verbeißen, als es die Kerzen auf dem Marillenkuchen ausblasen sollte und wir alle dauernd johlten: „Sommerkind!“ Darauf folgten Geschenke, ein schnell ins Leben gerufener Pasta-Workshop, von mir persönlich geleitet, und natürlich ein passendes Juli-Dessert.
Die Freundinnen hatten die Zitronenverbene, getrocknet und mit milder Apfelminze gemischt, als Zusatzgeschenk zu Weihnachten kennen- und lieben gelernt. Aber natürlich ist das Aroma der frischen Pflanze, frisch vom Fensterbrett gepflückt, um vieles intensiver und harmoniert herrlich mit den ersten Pfirsichen.
Knusprige Florentiner begeisterten alle: „Ah, so gut können Florentiner schmecken, die sind ja noch warm!“ Zur Nachspeise gab es als Überraschungseinlage einen Kanon, der zwar noch einiger Übung bedarf, aber von Herzen kam. Und weil die Gitarre schon gestimmt war, sangen wir noch ein ganzes Stündchen Lieder, mal richtig, mal falsch, und mir wurde vor lauter Lagerfeuerromantik ganz warm ums Herz. Beim Abwaschen nach der Sause zerrieb ich die restliche Verbene mit den Fingern, um ihren zitronigen Duft zu riechen und bereitete einen Tee zu, wie ich ihn aus Frankreich kenne: Tisane à la Verveine, klingt doch gleich viel eleganter. Wie schön es ist, mit alten Gewohnheiten zu brechen und sich vom Leben überraschen zu lassen.
Marktgeschichten, Folge 62: Nicole Ott schreibt an dieser Stelle einmal im Monat von inspirierenden
Gesprächen rund um saisonale Produkte und kreiert exklusiv für die ein Rezept damit.
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