Marktgeschichten, Folge 57: Limonenzeit

Auch wenn es im Februar frostig ist, zaubern bunte Zitrusfrüchte ein wenig südliches Flair in unsere Küchen. Wie gut, dass die Agrumen zu dieser Jahreszeit herrlich reif sind und uns mitten im Winter ein wenig Sommerglück versprechen.

Die Winterwinde pfeifen, während ich über den Markt eile und schützend meine Kapuze über die Ohren ziehe. Im warmen Café nippe ich an meinem Cappuccino und genieße den Anblick der bunten Zitrusfrüchte, heute haben es mir vor allem die knallgelben Zitronen angetan. Ich inspiziere unsere Kuchenvitrine und überlege mir einen Kuchen, der zu dieser Jahreszeit passt. Mir steht der Sinn nach Frische und Farbe, ich sehne mir Herrn Lenz herbei. 

Vielleicht sollte ich einen zitronigen Cheesecake ausprobieren“, erzähle ich der Freundin, die sich aus ihrem Geschäft für ein halbes Stündchen herausgestohlen hat. "Aber nur nicht zu aufwendig, denk doch bitte an alle, die am Abend nur wenig Zeit zum Kochen haben“, ermahnt sie mich. Nun gut, diese Herausforderung nehme ich an. 

 

Zuhause in meiner Küche zerbrösle ich Butterkekse und verrühre sie mit Butter, das wird der Tortenboden. Zitronenschalen werden in Sirup eingelegt, wie ich es von Daniel gelernt habe, auch dieser Handgriff ist im Handumdrehen erledigt. Die Idee des Zitronenzuckers – Schale mit Zucker verrieben – ist ein lieb gewordenes Überbleibsel vom Stollenbacken; er muss ein wenig rasten, um seine vollen Aromen zu entwickeln. Da kommt die Mittlere mit dem Pipsi zu Besuch, wie schön, eine Zuhörerin für meine Zitronengeschichen zu haben! "Hast du gewusst, dass Zitronen früher Limonen genannt wurden und bis vor ein paar hundert Jahren eine rare Kostbarkeit waren? Zufällig wurde entdeckt, dass die Seefahrer, die Zitronen transportieren, viel seltener an Skorbut erkrankten, und heute wissen wir, dass Vitamin C die Eisenaufnahme fördert. Darum ist eine Zitronenmarinade für Salate oder Gemüse so gesund!“ Ich bemühe mich wirklich, mich nicht in die Pipsi-Ernährung einzumischen, aber manchmal muss ich mein geballtes Omawissen loswerden.  

Tipp

Zitronen vor dem Auspressen ein paar Mal  auf der Küchenplatte hin- und herholen 

Schluss mit theoretischen Kinkerlitzchen, der Cheesecake wartet auf die Vollendung. Ich verwende Ricotta, weil er den Topfen noch cremiger macht und schlage den Eischnee auf für herrliche Luftigkeit. Echte Vanille verbindet sich mit den zitronigen Noten zu einer unwiderstehlichen Mischung, selbst die Medici, die in der Renaissance Agrumen kultivierten, hätten mit meiner Limonenhuldigung eine Freude. Dann wird der Kuchen gebacken, am Schluss noch wegen auffallender Blässe übergrillt und verwandelt sich in ein paar Minuten in eine duftende Schönheit.

"Hat keine halbe Stunde gebraucht, Wartezeiten nicht mitgerechnet“, rufe ich der Freundin zu, als ich ihr den Kuchen am Nachmittag ins Geschäft bringe. Der restliche Zitronensirup ist im Marmeladenglas mitgekommen, fungiert als Limoncelloersatz und veredelt unseren Prosecco. "Wieder was gespart!“, denk ich mir. Cin Cin!

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