Marktgeschichten: Bärig stark in den Frühling

Auch wenn uns der launische März noch einmal Schneeflocken schicken kann, der Frühling kommt bestimmt. Und der sendet uns Bärenkräfte mit dem seinem knofeligen Grün.

Marktgeschichten, Folge 46:

Nicole Ott schreibt an dieser Stelle einmal im Monat von inspirierenden Gesprächen rund um saisonale Produkte und kreiert exklusiv für die  ein Rezept damit. 

Ich sitze im Kaffeehaus, trinke meinen zweiten Cappuccino und schaue hinaus auf Erols Marktstand. Da gesellt sich der Jüngste zu mir und ich sage: „Stell dir vor, ich habe heute unsere neuen Teller von der Töpferin geholt und in ihrem Vorgarten die ersten Winterlinge gesehen!“ Er schmunzelt: „Du hast das Foto schon in unserer Familiengruppe geteilt.“ Das ist mir nur ein bisschen peinlich, wer kann mir die Frühlingseuphorie verdenken, wo ich doch schon jeden Tag den Wald nach den ersten Bärlauchblätterspitzen durchsuche?

Ich war die vergangenen zwei Monate so brav, habe die Regeln des Zeitgeistes befolgt und mich bemüht, im Moment zu leben. Habe Gemüse auf zwei verschiedene Arten fermentiert, Blutorangen und Kraut bis zum Umfallen gegessen. Ich brauche jetzt wieder frisches Grün! „Kriege ich Bärenkräfte, wenn ich besonders viel vom wilden Knoblauch esse?“, lacht der Jüngste mich an. „Zumindest haben das die alten Germanen geglaubt und ihm diesen schönen Namen gegeben“, erwidere ich. „Allium ursinum“ ist verwandt mit Schnittlauch, Knoblauch und Zwiebel und wächst wild in ganz Europa. Er kommt vor allem in Laubwäldern und an Bächen vor und ist teilweise gefährdet. Das ist rund um Wien unvorstellbar, dort bildet er Teppiche, die im Mai weiß blühend den gesamten Waldboden bedecken. 

In der Naturmedizin gilt er aufgrund seiner vielen guten Eigenschaften gar als Heilpflanze. „Schmeckt mir trotzdem zu stark“, meint der Schwiegersohn, der sich sein Frühstück vor der Arbeit abholt. „Oh nein, dann hast du ihn falsch kennengelernt. Gedünstet verliert er seine schwefelhaltigen Stoffe und schmeckt mild und fast süßlich. Kommt doch in der nächsten Zeit mal zum Abendessen, dann kannst du ihn probieren.“  

Sicher ist sicher

Zu Hause in meiner Küche lege ich ehrfürchtig die ersten zarten Bärlauchspitzen auf meinen Teller. Sicherheitshalber kontrolliere ich noch einmal jedes einzelne Blatt, damit es keine bösen Überraschungen durch Verwechslungen gibt. Auch wenn es bei Erol bald Bärlauchblätter zu kaufen gibt, macht das Sammeln doch besonderen Spaß. „Frisch aus dem Wald in die Frühlingsküche“, rufe ich dem Liebsten zu. Ab jetzt gibt es ein paar Wochen zu Hause und im Café den Waldknoblauch in allen Formen. Bärlauchknöderl oder -nockerl, -suppen, -strudel, vielleicht ein Bärlauchkimchi, wo wir doch das Fermentieren entdeckt haben? 

Aber heute gibt es ein schnelles Abendessen: Frittatas mit frühlingshaftem Bärlauch, sehr schick einzeln in Muffinförmchen gebacken. „Sie würden auch toll zu einem Brunch passen“, meine ich. Und denke an den schönen, launischen März, der vom Schneetreiben bis zum ersten lauen Frühlingslüfterl alles in petto hat. Er läutet das Winterende ein, schenkt uns eine Gabel Frühlingsglück und schickt uns Frühlingsboten, bunte und knofelige.

Tipp

Beim Sammeln darauf achten, dass die Blattunterseite der Bärlauchblätter matt ist, die Blätter einen Stiel haben und einzeln aus dem Boden wachsen
 

Über Nicole Ott

Kommentare