Italienisch kochen: „Risotto muss nicht ständig gerührt werden“

Alessandra Dorigato über ihr neues Buch, was italienische Küche ausmacht und warum die beste Sauce die ist, von der zu wenig auf den Tisch kommt.

Alessandra Dorigato ist in der Lombardei und im Trentino aufgewachsen. Seit dem Jahr 2000 lebt sie in Wien mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern.

Neben ihrer wöchentlichen Food-Kolumne für die Tageszeitung Der Standard kocht sie jeden Monat als Gast bei Studio 2 im österreichischen TV-Sender ORF 2 und betreibt ihren Foodblog A Modo Mio. Jetzt hat die gebürtige Italienerin ein Kochbuch veröffentlicht, das neben Rezepten auch allerhand Tipps und Hintergrundgeschichten zu verschiedensten Regionen Italiens enthält.

Im Interview mit der freizeit verrät die zweifach Mutter, was die italienische Küche ausmacht, wie man auch bei Zeitmangel ein perfektes Risotto auftischen kann und gibt Tipps, wie selbstgemachte Pasta auch im Alltag schnell zubereitet werden können.

Wo und wie haben Sie kochen gelernt?

Kochen ist für mich wie meine Muttersprache. Es war immer schon da. Die Frage nach wo und wie, ist also nicht so leicht zu beantworten. Bei uns in Italien war Kochen ein alltägliches Requisit, das man selbstverständlich in der Familie weitergab. Vor allem natürlich an die Mädchen. Eine von beiden, meine Mama oder meine Oma, waren irgendwie immer mit dem Essen-Zubereiten beschäftigt. Ich weiß noch, die erste Speise, die ich ganz allein kochte, war eine Minestrone. Ich war 4 Jahre alt. Um sie fertig zu stellen, benötigte ich allerdings den ganzen Sommer.

Ich bekam damals im Frühling ein eigenes kleines Gemüsebeet. Meine Mama half mir beim Setzen der Gemüsepflanzen. Jeden Tag goss ich, entfernte das Unkraut und wartete ungeduldig auf die Ernte. Mein Bruder und ich machten einen Wettbewerb daraus. Mit einem Lineal haben wir die Pflanzen abgemessen. Ende des Sommers war es endlich soweit: Ich durfte ernten! Und meine Großmutter ließ mich zum ersten Mal allein in der Küche. Es muss ein Freitagabend gewesen sein. Mein Vater kehrte nämlich immer freitags aus der Lombardei, wo wir wohnten, ins Trentino zurück. Dort verbrachten wir den Sommer. Mein Vater aß zwei Teller von meiner Minestrone. Wahrscheinlich aus Liebe.

Wie würden Sie die italienische Küche beschreiben?

Frisch, saisonal und regional. Und bodenständig im wahrsten Sinne des Wortes. Wir haben einen starken Bezug zum Ursprung. Wir kaufen unsere Lebensmittel am liebsten frisch vom Markt. Die meisten, die ein Stück Garten haben, haben auch ein Gemüsebeet.
Sparsam im positiven Sinn ist die italienische Küche auch. Da wird nichts verschwendet. Gefüllte Pasta waren früher etwa Resteverwertung. Zudem wird viel Obst und Gemüse eingekocht und eingelegt. Und was wäre die italienische Küche ohne ihre Antipasti!
Und zuletzt würde ich sagen: Italien hat so viel Meer rundherum, so viele Grenzen und so viele Herrschernationen gehabt. Da kamen die Inspirationen von allen Seiten. Ich denke an orientalische Gewürze oder gebratene Artischocken, die auf jüdische Küchentraditionen zurückgehen. Guter Geschmack kennt eben keine Grenzen.

Was verbinden Sie persönlich mit der italienischen Küche?

Ich verbinde sie mit Freude, Familie, mit Gelassenheit und mit bewusstem Genuss. Kochen ist in Italien und auch bei mir zuhause mehr als Ernährung. Für uns ist Essen vor allem die Gelegenheit zur Begegnung, zum Austausch und um das Leben gemeinsam zu genießen.

Alessandra Dorigato

©Anna Stöcher
Was sind die wichtigsten Zutaten der italienischen Küche?

Meine Oma brachte mir bei, dass Geschmack keine Eile verträgt und nicht viel Schnickschnack braucht. Aus einer Handvoll Zutaten lässt sich ein köstliches Gericht zaubern. Ein Risotto zum Beispiel. Oder Pasta – man benötigt dazu nur Mehl und Wasser – mit einer schlichten Tomatensauce sind ein gutes Beispiel dafür. Je länger Sie die Tomatensauce köcheln lassen, desto besser wird sie schmecken.

Was macht die perfekte Pasta aus?

A Modo Mio. Lieblingsgerichte und Küchengeschichten aus Italien von Alessandra Dorigato.

©Edition Raetia

Die perfekte Pasta ist diejenige, die die ganze Familie und Freunde an einem Tisch versammelt, diejenige, die mit zu wenig Sauce auf den Tisch kommt, weil alle in der Küche schon heimlich genascht haben, diejenige, bei der man zur zweiten Portion greift, bis zur scarpetta: Mit einem Stück Brot werden die letzten Reste der Sauce vom Teller gewischt.

Kann gekaufte Pasta mit selbstgemachter mithalten?

Selbstgemachte Nudeln und gekaufte Nudeln sind, meiner Meinung nach, zwei unterschiedliche Produkte. Aber natürlich muss es manchmal schnell gehen. Allerdings ist es auch keine Hexerei, selbst Pasta zu machen. Mit einer Nudelmaschine und ein wenig Übung geht das ruckzuck. Außerdem lassen sich selbstgemachte Nudeln auch trocknen oder einfrieren. In meinen Pasta-Workshops verrate ich da die besten Tipps und Tricks.

Zum Beispiel?

Wie bereits erwähnt: Selbstgemachte Nudeln lassen sich perfekt einfrieren. Achten Sie darauf, dass die Oberfläche der fertiggeformten Nudeln nicht mehr klebt, wenn Sie die einzelnen Stücke ins Gefrierfach legen. Bei Bedarf die Pasta aus dem Gefrierfach nehmen, sofort in kochendes Salzwasser geben und 5 Minuten kochen lassen. Nudeln mit einer Sauce mischen und mit reichlichem Parmesan und frischem Olivenöl servieren.

Wie ist es bei Risotto? Muss es ständig gerührt werden, damit es nicht anbrennt oder am Boden klebt?

Risotto rühren: Fängt man einmal an, den Reis zu rühren, muss man immer rühren.

©Getty Images/iStockphoto/ilbusca/iStockphoto

Je nach Sorte kann Risotto-Reis bis zum Doppelten seines Volumens an Flüssigkeit aufnehmen. Der Reis beginnt erst anzubrennen, wenn die Flüssigkeit aufgebraucht wurde. Meine Mutter war eine sehr praktische Frau, deswegen brachte sie mir bei, die Hälfte der notwendigen Flüssigkeitsmenge gleich an den Reis zu gießen und erst nach der Hälfte der Kochzeit mit dem ständigen Rühren anzufangen. Das Rühren schenkt dem Risotto die perfekte cremige Konsistenz und Bissfestigkeit. Die Regel lautet: Fängt man einmal an, den Reis zu rühren, muss man immer rühren.

Welche weiteren Tipps können Sie geben, die vielen vielleicht nicht so bekannt sind?

Manchmal ist es gut, am Herd zu stehen und im Risotto zu rühren. Es ist meditativ, mir zumindest hilft es abzuschalten. Andere Male muss es flott gehen. Das kennen wir alle. Mir wurde beigebracht, Regeln als Wegweiser und nicht als Grenzen oder Gesetze zu sehen. Ob wir also unsere Nudeln al dente oder weicher mögen, ob wir unseren Kaffee ristretto oder corretto gerne haben, am Ende entscheidet der persönliche Geschmack und natürlich die Zeit, die wir zur Verfügung haben.

Was hat Sie dazu bewegt ein Kochbuch zu schreiben?

Ich wurde von meinem Verlag angesprochen. Mein Blog A-modo-mio.at hat sie neugierig gemacht. Lange überreden brauchten sie mich nicht. Für das Kochbuch habe ich dann jede Menge neue Rezepte gesammelt und ausprobiert. Und ein Buch wollte ich schon immer schreiben, allerdings war es zuerst ein Kinderbuch. Die Geschichte von Tom und seiner Oma liegt aber noch in der Schublade.

Nun gibt es bereits zahlreiche Kochbücher, was macht Ihres so besonders, worin liegen die Unterschiede?

Die meisten der Rezepte sind perfekt für den Alltag: einfach, mit gut verfügbaren Zutaten, schnell zubereitet und trotzdem köstlich. Das hat mir oft gefehlt bei anderen Kochbüchern: dass es mir im Alltag nicht hilft. Ich habe mein Kochbuch auch nach den Jahreszeiten aufgebaut, damit es leichter wird mit dem Einkaufen. Und das Buch ist auf Grund der vielen Geschichten rund ums Essen auch sehr unterhaltsam. Ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die Kochbücher als die perfekte Bettlektüre sieht. Ich sitze dann da, blättere, lasse mich von den schönen Fotos inspirieren... und von den Anekdoten und Rezepten.

Ihr persönliches Lieblingsgericht?

Ich esse alles sehr gerne und würde mich schwer mit der Situation abfinden, mich auf ein Gericht einzuschränken. Ich liebe Vielfalt und Abwechslung. Aber einen Teller Pasta lehne ich nie ab.

Vielen Dank für das Interview
Veronika Dienersberger

Über Veronika Dienersberger

Digital Producer bei freizeit.at, dem Digitalformat der KURIER freizeit. Die gebürtige Münchnerin studierte Content Produktion und Digitales Medienmanagement an der FH Wien und war zuletzt bei der MG Mediengruppe Online-Chefredakteurin. Sie liebt Reisen, gutes Essen und Musik.

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