Wiener Wein: 200 Jahre alte Strategie schützt ihn vor Klimawandel

Vor 200 Jahren bedrohte Kälte den Wein, jetzt der Klimawandel. Im Weingut Mayer am Pfarrplatz weiß man um die Schutz-Strategien von damals.

Bei Wiener Wein denkt man zuerst eher an Gemischten Satz oder Grünen Veltliner. Aber eher nicht an gebietstypische Weine aus Einzellagen, die auf die Herkunft Bezug nehmen. Das hat einen Grund, erklärt Gerhard J. Lobner, Leiter des Wiener Weinguts Mayer am Pfarrplatz

"In romanischen Ländern hat man schon immer das Gebiet in den Vordergrund gestellt, in Österreich und Deutschland die Sortenthematik." Doch mittlerweile sehe man hier "eine tolle Entwicklung, weil sich viele Winzer mehr damit beschäftigen".

Kleinräumige Rieden sind eine Chance

Gerade für Wiener Weinbaugebiete, etwa den Nussberg, sieht Lobner hier Chancen. "Das Spannende im 19. Bezirk ist, dass es auf einem sehr kleinräumigen Bereich große Unterschiede bei der Bodenbeschaffenheit gibt, von leicht sandigen bis extrem schwere Böden." 

Die Kleinräumigkeit und die unterschiedlichen Böden zwischen Kalk über Löß bis zu den Alpen im 23. Bezirk mache den speziellen Unterschied zum benachbarten Niederösterreich aus. "In Wien sind die Einzellagen relativ klein, auch nur 5 Hektar. In anderen Gebieten können einzelne Rieden auch 300 Hektar umfassen."

 Was den Wein betrifft: Die Ried in Kombination mit (alten) Reben macht den Wein aus. "Wenn Reben älter werden und sich über Jahrzehnte bewährt haben, überlegt man, diese einzelne Parzelle als Lagen- bzw. Riedenwein abzufüllen." Was also derzeit als Riedenwein angeboten wird, "sind bereits jahrzehntealte Reben. Ein Weingarten, der sich bewährt hat, kommt erst nach 30 bis 40 Jahren in die Topliga". 

Klimawandel: Geschmack des Weins verändert sich

Wobei sich über die Jahre auch Herausforderungen klimatischer Natur ergeben. "Der Klimawandel ist ein Thema, die Erntezeiten haben sich nach vorne verlegt, in einzelnen Lagen mehr als in anderen", sagt Lobner. 

Beispiel Riesling, eine sehr spätreife Sorte mit kräftiger Säurestruktur: "Man merkt, dass die Säure seit einigen Jahren grundsätzlich milder wird." Über den Fortbestand von Grünem Veltliner und Riesling macht er sich keine Sorgen. "Stilistisch wird sich aber natürlich etwas verändern. Das gab es aber bereits früher, Geschmäcker verändern sich eben." Und auch der Weinbau. "Das Spannende der vergangenen Jahre ist, dass die Branche diverser wird, in viele Richtungen geht, die Bandbreite ist riesig."

Gemischter Satz: 200 Jahre alte Strategie hat Zukunft

Den Gemischten Satz bezeichnet der Weingut-Leiter klimatechnisch gesehen als "eine alte Tradition, die für uns Zukunft hat". Vor rund 200 Jahren hätten die Winzer in Wien und ganz Mitteleuropa als "Risikomanagement" früh-, mittel- und spätreife Sorten in einem Weingarten gepflanzt. "Das sicherte konstante Erträge."

Den Witterungsbedingungen sei man auch damals ausgesetzt gewesen, allerdings waren Kälte und Frost die Problemfelder für Wein. "Wir haben aber gemerkt, dass der Gemischte Satz auch mit unseren heutigen, anderen Problemen gut umgehen kann." 

Mit dem System sei es möglich, einerseits "harmonisch ausgewogene, leichte Trinkweine" zu produzieren, und andererseits "charaktervolle, kräftige Lagenweine". Mehr als 50 Prozent der Produktion im Weingut umfassen mittlerweile Gemischten Satz, gefolgt von Riesling und Grünem Veltliner. 

Mindestens 3 Sorten im Gemischten Satz: Das sind die wichtigsten

Das funktioniere mit der richtigen Balance der Rebsorten. Mindestens drei müssen es gesetzlich sein, im Weingut ist es zu etwa 70 Prozent Grüner Veltliner, Riesling, Zierfandler, Rotgipfler. Dazu kommen noch z. B. Welschriesling, Neuburger, Goldburger oder Traminer

Die Philosophie dahinter vergleicht Gerhard Lobner mit Musik. "Die einzelne Rebsorte ist wie ein Instrument, der Gemischte Satz ist ein ganzes Orchester." 

Ingrid Teufl

Über Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

Kommentare