Weinverkostung

Wein ist Alkohol und kein Ingwer-Karotten-Vitaminshot

Kontrollierter Genuss ist so aufregend wie ein Streichelzoo. Ein zahmes Abenteuer.

Nichts scheint der Menschheit derzeit mehr Befriedigung zu verschaffen, als sich in einem Gesinnungslager zu verschanzen, um selbiges bis aufs Blut zu verteidigen. Ob etwa mäßiger Weingenuss der Gesundheit förderlich oder abträglich sei, wird wohl in diesem Jahr noch in grimmigen Grabenkämpfen öffentlich vorgeführt werden. 

Nun sieht wohl jeder halbwegs vernunftbegabte Erwachsene ein, dass Wein Alkohol und kein Ingwer-Karotten-Vitaminshot ist. Wo genau die Grenze zwischen Lust und Laster liegt, verraten auch die klügsten Studien nicht. Der Mensch neigt nun mal dazu, bei schönen Dingen über die Stränge zu schlagen –  kontrollierter Genuss ist so aufregend wie ein Streichelzoo. Ein zahmes Abenteuer. 

Und doch: Kaum ein Getränk vermag es, so differenziert Aromen darzustellen wie Wein, seine Individualität aufgrund von Herkunft, also Boden, Jahrgang, Klima wie auch Handschrift der Produzenten klar abzubilden. Wein kann aufgrund seiner vielfältigen Gerüche mitunter Erinnerungen wachrufen, Bilder erschaffen – kann allein des Geschmacks wegen glücklich machen. 

Das mag geschwollen klingen, macht jedoch die Einzigartigkeit von Wein aus – das, was man Kultur nennt. Freilich gibt es auch zur Genüge Gewächse, wo man Individualität vergeblich sucht. Weine, die bis zur Unkenntlichkeit mit allerlei Raffinessen verstellt wurden. Weine auch, die nichts als billiger Abklatsch ihrer Idee sind. Und ja, Wein kann berauschen. Das mag so großartig wie schrecklich sein. Aber es ist so. 

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

Christina  Fieber

Über Christina Fieber

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

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