Kaffee

Café Reloaded in Wien: Eine andere Form der Kaffeehauskultur

Abseits von Thonet-Stühlen und traditionell grantigen Oberkellnern gedeiht in der Stadt eine andere Form der Kaffeehauskultur.

Vorweg: Mit seinem Ambiente, den unverwüstlichen Sitznischen aus Polster und Plüsch, den legendären Bugholzsesseln, den Marmortischen und Zeitungsständern ist das klassische Wiener Kaffeehaus eine Institution.  Wie die Heurigenkultur ist sie Teil des immateriellen Kulturerbes der UNESCO.

Die Namen dieser Cafés – ob Landtmann, Central, Diglas, Sperl, Hawelka oder Schwarzenberg  – sitzen tief im Wiener Gedächtnis. Allein die Erwähnung lässt den Duft von Melange und Mehlspeisen in die Nase steigen. Aber: Es gibt in Wien inzwischen auch andere Namen. Auf diese sollte eine Kundschaft hören, die einmal einer anderen Art der Kaffeehauskultur eine Chance geben will.

Suche nach der besten Bohne

Der renovierte Adlerhof in der Burggasse macht den Einstieg leicht: Im vorderen Teil steht vertrautes Thonet-Mobiliar vor alter Holzvertäfelung. Das 2020 neu eröffnete Lokal zeigt sich als Hybrid aus Café, Bistro und Bar samt elegantem Wintergarten, Greißlerei-Vitrine und Brotregal – ein interessanter Mix aus Alt und Neu. Am besten trifft man sich zum Frühstück oder zum Brunch. Auf der Karte: Melange und Verlängerter ebenso wie "Mocca Gin Rosé" (Kaffee, Gin und Rosenlimonade).

Weniger stylish, dafür um so gemütlicher geht es in der Vollpension in der Schleifmühlgasse zu. Menschen, die in ihrer Pension nicht einfach die Hände in den Schoß legen wollen, arbeiten hier mit jüngeren Kollegen zusammen. Die familiäre Atmosphäre geht da schnell auf den Gast über. Zudem werden Backkurse angeboten, wo die "Omas" bereitwillig ihr Wissen in Sachen Buchteln, Apfelstrudel und Sachertorte weitergeben. Bekannt für hochwertigen wie vielfältig zubereiteten Kaffee ist das Balthasar in der Praterstraße.  

➤ Hier mehr lesen: Das Geheimnis des perfekten Apfelstrudels

Das Balthasar hat sich ganz der Liebe zum Kaffee verschrieben.  

©Kurier/Jeff Mangione

Das Angebot reicht da vom altbekannten Espresso über verschiedene Filtermethoden bis hin zu geeisten Varianten und Cold Brews. So gibt es Kaffee, der stundenlang und Tropfen für Tropfen – nach der sogenannten   Cold-Drip-Methode – extrahiert wird. Und da so viel Liebe zum Kaffee nicht nur über den Magen, sondern auch in den Kopf gehen sollte, finden ums Eck vom Lokal eigene Workshops statt. Von der Kaffeeherstellung über -zubereitung bis hin zur kreativen Latte Art am Cappuccino taucht man in Gruppen von 4 bis 6 Personen in die Welt der Bohne ein.

In den Generationen-Cafés der Vollpension kommen Jung und Alt zusammen 

©Vollpension

Im Prater vis-a-vis vom Schweizerhaus kann man seit vergangenen Sommer seinen Kaffee in einem ehemaligen Ponykarussell trinken, das heute vom Wiener Rösthaus betrieben wird. Das Besondere: Der Rohkaffee wird nicht vermischt, sondern sortenrein geröstet. Für Connaisseure ein selten gewordenes Vergnügen, da sie so beim Verkosten des Kaffees herausfinden können, wie sich Boden, Klima und Höhenlage auf den Geschmack der jeweiligen Sorte auswirken.

➤ Hier mehr lesen: Warum man Kaffee vor dem Schlafengehen trinken sollte

Im Kaffemik im 7. Bezirk dreht sich ebenfalls alles um das Handwerk und die faire, transparente Herstellung des Kaffees. Der Lokalname ist quasi eine Dauerleihgabe aus Grönland. Dort versteht man unter dem Wort "Kaffemik"  ein ganztägiges Kaffeetrinken, zu dem jeder eingeladen ist –  selbst wenn man den Gastgeber nicht kennt. Anlässe sind etwa Geburtstagsfeiern, Konfirmationen, aber auch das Gedenken an Verstorbene.

Kaffee und Kuchen fungieren dabei nur als Basis, um den gegenseitigen Austausch und das Kennenlernen zu fördern. Ausgestattet mit einer eigenen Rösterei legt freilich die Wiener Variante bzw. das kleine Lokal in der Zollergasse viel Wert auf guten Kaffee. Es zeigt sich, in Wien können Kaffeeliebhaber aus dem Vollen schöpfen – und manchmal müssen sie nicht einmal danach suchen. Denn nicht selten taucht genau im richtigen Moment eine mobile Kaffee-Bar auf.

Kommentare