Alles was man über Kürbiskernöl wissen sollte

In der Familie Hartlieb dreht sich bereits seit Generation alles um das Kürbiskernöl. In ihrer Ölmühle im südsteirischen Heimschuh lässt sich alles dazu erfahren und verkosten.

Es schimmert tannengrün mit rostbraunen Reflexen, die ins Rötlich-Orange wechseln, wenn man es über eine Lichtquelle hält. Es macht Flecken, die von Trägern und Trägerinnen heller Oberwäsche gefürchtet sind. Und dennoch will niemand darauf verzichten. Steirisches Kürbiskernöl ist identitätsstiftender Bestandteil jedes in der Steiermark servierten Salats aus Erdäpfeln oder Käferbohnen in steirischen Buschenschanken, die jetzt – in der Zeit der Maroni und des Sturms – Hochsaison haben. Man würzt damit Kürbiscremesuppen oder mariniert damit Frischkäse.

Thomas Hartlieb hat seine Liebe zum Kürbiskernöl bereits erfolgreich  weitergegeben: Tochter Nina ist Qualitätsprüferin in der Ölmühle.

©rRegionalmanagement Südweststeiermark/webquartier

Wer wissen will, wie es dazu kommt, woraus das Öl gemacht wird und was man zur Beurteilung seiner Qualitäten wissen muss, fährt zum Beispiel in die Ölmühle Hartlieb im südsteirischen Heimschuh. Im Kürbiskernöl-Museum über der Mühle steht ein Tier, das hier schon seit vielen Jahrzehnten nicht herausgekommen ist. Das ist die Kürbiskernöl-Kuh, ein hölzernes Gestell mit vier Beinen, etwa dreihundert Jahre alt, in dem die südsteirischen Bauern früher aus den Kürbiskernen Öl pressten.

©Ölmühle Hartlieb

„Im Grunde hat sich das Verfahren seit damals nicht verändert, nur die Verfahren sind dank moderner Technik genauer und besser geworden“, sagt Mühlenbesitzer Thomas Hartlieb, der in vierter Generation die Ölmühle der Familie führt. Früher habe man mit Keilen und Hammer gearbeitet, heute hat man dazu moderne Pressen aus Edelstahl, doch die Schritte bei der Erzeugung des begehrten Fettes seien immer gleich. Erstens geht es um die Auswahl und Qualitätsbeurteilung der Kerne. Fehltöne etwa von zu feuchter Lagerung wirken da gleich verdächtig, sie werden später auch im fertigen Produkt merkbar sein. Die Kerne werden danach zermahlen.

Frisches Kürbiskernöl mit seinem leicht nussigen Geschmack peppt jeden Salat auf

©KARIN BERGMANN

Schritt zwei ist das Versetzen der geriebenen Kerne mit Wasser und Salz, es entsteht ein Brei. Beim dritten Schritt handelt es sich um das langsame Erwärmen des Kürbiskern-Wasser-Breis in einer großen Pfanne, die kritische Phase bei der Kürbiskernöl-Produktion. Man spricht vom Rösten der Kerne. Das Erwärmen führt zur Abspaltung des Fettes vom Eiweiß. Beim Röstvorgang spielen handwerkliches Können und Wissen eine große Rolle. „Jede Charge verlangt oft eine andere, individuell abgestimmte Temperatur“, sagt Hartlieb, „unsere Mitarbeiter wissen das.“ In der Ölmühle werden nicht nur die Kerne der Kürbisse aus eigenem Anbau zu Öl verarbeitet, sondern auch die Kerne vieler Bauern aus der näheren oder weiteren Umgebung – bis hin nach Bayern.

©Ölmühle Hartlieb

Fingerspitzengefühl ist auch beim Pressen der Kerne notwendig, dem nächsten Schritt. Die Reste nach dem Pressvorgang, die sogenannten Presskuchen, werden oft als Tierfutter verwendet. Man kann aber auch damit kochen, sie sind eiweißhaltig und haben einen feinen, nussigen Geschmack. Als veganes Eiweiß sind sie sehr begehrt.

Steirisches Kürbiskernöl, das mittlerweile eine Karriere bis in die Restaurants von New York und Hongkong gemacht hat, und von dem es so viele nicht-österreichische Nachahmerprodukte gibt, das die Herkunftsbezeichnung mittlerweile geschützt ist, war vor drei, vier Generationen ein Arme-Leute-Fett. „Die hellen Öle, zum Beispiel Sonnenblumenöl, waren den Leuten in der Steiermark, wo besonders der Süden mit der toten Grenze zu Slowenien als sehr arm galt, zu teuer“, erzählt Hartlieb. Der Kürbis selbst hatte ja auch einen unsexy Ruf. „Saufutter“ sagte man gar dazu.

Hartliebs Tochter Nina arbeitet im Betrieb mit und sitzt auch als Prüferin in den Panels, wo die Kürbiskernöle auf ihre sensorischen und andere Qualitäten abgeprüft werden. Kein leichter Job, oder? „Olivenöle verkosten ist noch anstrengender“, sagt die junge Frau. Man überprüft die Öle erst auf die Farbe, dann riecht man ausgiebig daran. „Frischetöne, wie nach Wiese und Heu, aber auch etwas Nuss sind ein gutes Zeichen.“ Die Geschmacksprobe erfolgt wie bei Weinverkostungen, die Verkosterin behält das Öl im Mund und saugt Luft ein.

Zischen und Gurgeln

Das zischende Gurgeln ist das einzige Geräusch, das im Raum während einer solchen Verkostung zu hören ist. Welche Fehler können sich dabei bemerkbar machen? „Muffige oder oxidative Noten deuten auf schlechte Lagerung hin“, erklärt Nina Hartlieb. „Ein kräftiger Röstton kann beabsichtigt sein, es muss sich dabei nicht um einen Fehler handeln.“ Die Qualität der steirischen Kürbiskernöle sei, auch dank der strengen Prüfungen vor Ort, in den vergangenen Jahren merkbar gestiegen.

Davon kann man sich vor Ort überzeugen – in Heimschuh oder auch bei vielen kleinen Kürbiskernöl-Bauern in der Steiermark. Ein kleines Schild „Hier gibt es Kürbiskernöl“ am Straßenrand führt oft, wenn auch nicht in jedem Fall, zu einer feinen Delikatesse. Und was die Flecken auf Hemd und T-Shirt betrifft: Sonne lässt sie verblassen.

Alexander Rabl

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