"The Northman"-Regisseur Eggers: "Rache ist nicht mein Ding"

Der neue Regie-Star im Interview: Warum seine Wikinger nicht nackt sein durften und wie er Björk für seinen Film gewinnen konnte.

Robert Eggers ist Hollywoods neues Wunderkind. Nach seinem vielbeachteten Horrorfilm "The Witch" und dem beeindruckenden Kammerspiel-Drama "Der Leuchtturm" mit Robert Pattinson, legt er nun sein erstes großes Werk fürs Mainstream-Kino vor: "The Northman" (ab heute im Kino) ist ein bildgewaltiges Rache-Epos, packend, spannend, blutig. Alexander Skarsgård spielt die Hauptrolle in der Wikinger-Saga über den Sohn eines Wikingerkönigs, der als Kind mit ansehen muss, wie sein Vater von seinem Onkel ermordet und vom Thron gestoßen wird. Er schwört bittere Rache und kehrt Jahre später gestählt zurück, um Vergeltung zu üben und seine Mutter (Nicole Kidman) zu retten. 

Für sein Epos betrieb Eggers aufwendige Recherchen bei Historikern und Archäologen. Herausgekommen ist ein authentisches, emotionsgetriebenes Werk mit berserkernden Action-Szenen. Wir trafen den Regisseur in Hamburg zum Interview.

Sie wollten mit „The Northman“ den ultimativen Wikinger-Film drehen. Weshalb war dieser Ansatz für Sie so wichtig?

Wenn ich einen Western gemacht hätte, hätte es das weit schwieriger gemacht. Aber einen ikonischen, erfolgreichen Wikinger-Film? Den gab es seit Ewigkeiten nicht mehr. Mein Film bot mir also die Gelegenheit dafür. Seit Wagner beschlossen hat, den Wikingern Hörner auf die Helme zu setzen, erfindet jede Kultur sie ja nach Gutdünken neu.

Sie haben den Film zusammen mit dem isländischen Dichter Sjón geschrieben. Wie kam das?

Ich hatte Zugang zu ihm. Ich habe ihn bei einer Dinnerparty in Bjorks Haus kennengelernt. Er war wichtig, auch weil es eine isländische Geschichte ist, die wir erzählen, und die isländischen Sagen so ein großer Teil im Bewusstsein jedes Isländers sind. Selbst wenn sie manchmal allergisch dagegen sind – sie wissen buchstäblich, mit welchen Sagengestalten sie verwandt sind. Die Menschen glauben an Geister und Feen, trotzdem ist das kein Schock, wenn man Island besucht.

Björk hat seit 17 Jahren in keinem Film mehr mitgespielt. War es schwierig, sie zu überzeugen, es für „The Northman“ zu tun?

Björk kennt Sjón, seit sie Teenager waren. Und Caroline, die Co-Komponistin, ist eine gute Freundin von mir und Björk. Meine Frau und ich haben ein freundschaftliches Verhältnis zu Björk, sie hatte also das Gefühl, wenn sie den Film macht, würde das in einer vertrauten Umgebung stattfinden. Trotzdem ist es nicht so, dass sie sich wie wild darauf gestürzt hätte. (lacht) Aber es war ja nur ein einzelner Drehtag

Ihre beiden vorherigen Filme waren klaustrophobische, intime, gruselige Dramen. Mussten Sie erst lernen, Action-Sequenzen zu drehen?

Ja, ich hatte keine Ahnung! Vor „The Northman“ hatte ich noch nie Action-Szenen gedreht. Eigentlich war ich gar nicht qualifiziert, diesen Film zu machen. Es brauchte also eine enorme Vorbereitung, um das durchzuziehen.

Der Film badet sozusagen in Schlamm und Schmutz. Waren die Dreharbeiten so hart, wie wir uns das vorstellen?

Ja. Ich meine, der Dreck war schließlich echt. Es war schwierig, es war kalt, es war anstrengend. Viel Unvorhergesehenes. Im Nieselregen lässt sich nicht filmen. Aber es regnet fast in jeder einzelnen Einstellung des Films. (lacht)

©Aiden Monaghan / © 2021 Focus Features, LLC
Standen Sie unter Druck, weil das Ihre erste größere Produktion ist und Sie ein Mainstream-Publikum erreichen müssen?

Wenn ich mich dem Druck und der Verantwortung, die ich hatte, Angesicht zu Angesicht hätte stellen müssen, wäre ich auf der Stelle gestorben. Als ich den Film dem Studio vorstellte, war es meine Absicht, die unterhaltsamste Version eines Robert-Eggers-Films zu machen. Sehen Sie, Unterhaltung war nicht das ultimative Ziel meiner ersten beiden Filme. Aber hier schon. Ich habe versucht, einen Film zu machen, bei dem man Vergnügen hat und dazu Popcorn ist. Nun gut, nicht immer. Manche Stellen sind einfach zu düster.

©Aiden Monaghan / © 2021 Focus Features, LLC
Wo mussten Sie Kompromisse eingehen?

Es gibt ein paar Kompromisse, die ich nicht eingehen wollte. Zunächst einmal durfte ich keine Penisse zeigen. Und ich denke, für den Showdown ist das vielleicht sogar ganz gut, denn die Menschen sind eine bedauernswerte Sippe und suchen nach Penissen. In diesem Falle ist es also von Vorteil. Aber für manche Schlacht wäre es erschreckender und kraftvoller gewesen, wären einige dieser Männer völlig nackt gewesen. Weil der Film jedoch in Flugzeugen gezeigt werden soll, galt die Vorschrift: keine Penisse.

Was war noch schwierig?

Der Schnitt war schwieriger als jede Kampfszene. Ich hatte keinen Final Cut. Aufgrund der Größe des Films war mir das nicht erlaubt. Meine Mitarbeiter und ich wollten unter keinen Umständen einen Film machen, auf den wir nicht stolz sind. Ich habe noch nie in meinem Leben so hart gearbeitet. Es wurde wirklich schmerzhaft und schwierig. ABER: Ohne das Eingreifen des Studios hätte ich nicht das abgeliefert, was ich versprochen habe: nämlich die unterhaltsamste Version des Films.

Was fasziniert Sie an Rache?

Gute Frage. Im echten Leben finde ich Rache nicht befriedigend. Wir alle erleben manchmal einen schlechten Tag, an dem uns jemand Unrecht tut und an dem wir Rache schwören. Aber das ist wirklich nicht mein Ding. Und Gewalt auch nicht. Rachegeschichten allerdings sind immer interessant. Sie funktionieren immer, sie sind immer fesselnd.

Warum ist das so?

Ich habe einen Film über Rache gedreht, meine Kommentare dazu sind im Film. Für mich ist es interessanter, mich in die Denkweise dieser Leute aus der Vergangenheit hineinzuversetzen und diese Denke mit meinem Verständnis darzustellen – und ohne zu urteilen. Die Moral dieses Films ist nicht meine Moral, sondern die Moral der Figuren.

Was fasziniert Sie an Wikingern?

Ich habe mich anfangs überhaupt nicht für Wikinger interessiert, wegen der ganzen Macho-Stereotypen. Ich kann gar nicht glauben, dass ich so einen Macho-Film gemacht habe, ich kann es wirklich nicht glauben. Und auch die rechtslastige Fehlinterpretation der Wikingerkultur, darauf reagiere ich allergisch. Daran hatte ich absolut kein Interesse. Aber dann musste ich entdecken, dass dies eine Kultur der Poesie und der Kunst und der Musik und vieler unglaublich schönen Dinge ist. Dennoch waren sie natürlich grausam, patriarchalisch und gewalttätig, ganz dem Klischee entsprechend.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

Kommentare