20 Jahre "Der Bachelor": Niemand will die letzte Rose

Vor 20 Jahren wurde die erste deutsche "Bachelor"-Staffel ausgestrahlt. Die Sendung ebnete den Weg für unzählige Kuppelformate - und muss sich heute neu erfinden.

Das Rezept für eine erfolgreiche Datingshow war einmal einfach. Viele Frauen, ein Mann, zwei Villen im Urlaubsparadies. Die ersten Dates, der erste Kuss und am Ende jeder Folge die Entscheidung, die „Nacht der Rosen“. Wer kein langstieliges Exemplar bekommt, fliegt nach Hause. Bis er, der „Bachelor“, ein letztes Mal fragt: „Möchtest du diese Rose annehmen?“ 

Seit RTL 2003 erstmals einen Rosenkavalier entsandte, war „Der Bachelor“  nicht nur jahrelanger Quotengarant für den Sender, sondern immer auch so etwas wie der hellste Stern am Reality-Dating-Himmel.  Doch heute, 20 Jahre später, steckt die wohl bekannteste Kuppelshow der Welt in der Krise (siehe unten). Haben wir die TV-Liebe satt?

Nein, sagt der Medienpsychologe und Reality-TV-Fan Richard Lemke. Aber: „,Der 'Bachelor' hat sich auserzählt.“ Das Genre, das in den 1960er-Jahren in den USA mit "The Dating Show" begann, hat sich zuletzt stark ausdifferenziert. Nackte, Bauern oder Betrunkene suchen heute im Fernsehen und auf Streamingportalen die Liebe. Allein die RTL-Gruppe hat mehr als 30 Sendungen im Programm. „In der Breite hat es das so noch nie gegeben.“ 

Liebe im TV

Ursprünge
Im März 2002 feierte „The Bachelor“ in den USA Premiere. Mittlerweile gibt es Ableger in mehr als 30 Ländern. 2003 wurde die Sendung erstmals im  deutschen Fernsehen  ausgestrahlt. 2004 folgte „Die Bachelorette“, 2018  „Bachelor in Paradise“.

Quotentief
1,43 Mio. Menschen verfolgten das Finale des diesjährigen „Bachelors“ David Jackson. 2018 schalteten im Staffeldurchschnitt noch 3,5 Mio. Zuschauer ein.  2003, als die Fernsehwelt noch eine ganz andere war, waren es 8,42 Mio.

Neue Staffel
2024 entsendet RTL erstmals zwei Rosenkavaliere. „Die Bachelors“ ist ab  17. Jänner immer mittwochs um 20.15 Uhr zu sehen  

"Der Bachelor war einmal die Kirsche auf der Torte"

Experten sprechen von einer „Reality-TV-Übersättigung“. Produzenten reagieren darauf mit Reizsteigerungen: mehr Paare, mehr Konflikte, mehr Tabubrüche.  „,Der Bachelor’ war einmal die Kirsche auf der Torte. Da wurde immer auf Exklusivität und Eleganz gesetzt“, sagt auch die ehemalige Kandidatin Sabrina Wlk (27). Aber: „Das Publikum verlangt von Jahr zu Jahr wildere Inhalte. Da kann ein 20 Jahre altes Konzept nicht mehr mithalten.“ Heute an der Sendung teilzunehmen, lohne sich auch wegen der Reichweite in den sozialen Medien nicht mehr, so die Wienerin. 

Eine große Online-Fangemeinde ist eines der Versprechen, mit denen Datingshows Kandidatinnen und Kandidaten locken. Die Verwertungsmaschinerie des Reality-Dating verhilft ihnen zu einer mehr oder weniger schillernden Karriere als C-Promi. Wlk, die zuletzt in der Show „Are You The One“ zu sehen war, arbeitet heute als Model und Influencerin. Sie nennt sich „TV Personality“. 

Für die Sender  sind die Formate doppelt lukrativ: günstig in der Produktion, attraktiv für Werbekunden - Stichwort Produktplatzierungen. Rund um die Shows hat sich eine ganze Industrie entwickelt. Managements und Agenturen haben sich auf die Vermittlung von Teilnehmenden spezialisiert; Podcasts und Youtube-Videos kommentieren und analysieren das Geschehen.  Die Comedyshow „Trash Paradise“ in Wien Anfang Jänner ist ausverkauft. 

"Lustvoller Konsum von Datingshows"

Gerade bei der jungen, kaufkräftigen und tendenziell höher gebildeten Zielgruppe sind die Shows seit langem erfolgreich. Lemke: „Mein Eindruck ist, dass es inzwischen bis in intellektuelle Kreise hinein einen sehr lustvollen Konsum von Datingshows gibt.“ 

Den Gründen dafür kann man sich über psychologische Faktoren nähern: Eskapismus, Voyeurismus, Lust an der Provokation, etwa.  „Datingshows zeigen uns wie unter einem Brennglas verdichtet ganz tiefe Kernfragen des menschlichen Zusammenlebens“, meint der Wissenschafter. „Im Reality-Dating kann der Zuschauer neue Situationen erleben, die in seinem Alltag so nicht vorkommen würden“, sagt die „Too Hot To Handle“-Teilnehmerin Anna Strigl (26).  

Lust, Unsicherheit, Erregung, aber auch Kränkung und Scham werden stellvertretend durch andere erlebt. Aber: "Viele konsumieren Reality-Dating-Formate auch einfach, um sich über die Leute zu stellen, sich besser zu fühlen und zu sagen: 'Schau mal, wenigstens bin ich nicht so blöd wie die.’"

Die gebürtige Tirolerin, die durch die Netflix-Produktion über Nacht einem breiten Publikum bekannt wurde, stört sich vor allem an den Produktionsbedingungen vieler Formate. "Damit solche Sendung funktionieren, wird von den Teilnehmern viel abverlangt. Aus diesem Grund sind die Drehs sehr anstrengend für Körper und Psyche."“

Unrealistisches Bild von Beziehungen?

Und auch sonst stehen Datingshows wie kaum ein anderes Genre in der Kritik. Sie zementierten veraltete Rollenbilder, propagierten unerreichbare Körperbilder und vermittelten ein unrealistisches Bild von Beziehungen, so die Kritik. Auch wenn die Ansprüche an die Sendungen in Sachen Diversität über die Jahre gestiegen sind, folgen die meisten Sendungen keinem progressiven Verständnis von Partnerschaft, sondern bedienen konservative Vorstellungen, sagt auch der Medienpsychologe. 

„Aber es ist gut, dass sie uns dazu auffordern, uns mit unseren eigenen Wertvorstellungen auseinanderzusetzen.“

„Der Bachelor“ versucht bereits, sein angestaubtes Image aufzupolieren. In den USA wurde in diesem Jahr ein 71-jähriger „Golden Bachelor“ gekürt. In Deutschland werden 2024 erstmals  zwei Junggesellen Rosen verteilen. Ob das Publikum sie annimmt, bleibt abzuwarten.

Elisabeth Kröpfl

Über Elisabeth Kröpfl

Seit Dezember 2021 beim KURIER. Zuerst im Ressort Lebensart, jetzt am Newsdesk. Spanisch- und Englischstudium in Graz, danach Journalismus-Master an der FHWien.

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