Warum lesen manche Menschen die Zeitung von hinten nach vorne?

Eine eindeutige Erklärung gibt es nicht. Aber es spricht einiges dafür zu springen und nicht alles Wort für Wort zu lesen

Haben Sie schon einmal darüber reflektiert, wie Sie eine Zeitung lesen? Von vorne nach hinten, immer mit einer bestimmten Rubrik beginnend? Springend oder jagend nach den schönsten Bildern, den spannendsten Schlagzeilen? Vielleicht  blättern Sie ja mit der Frage im Kopf: „Was ist heute schon wieder passiert?“ Oder gehören  zu jenen Menschen, die stets auf der letzten Seite beginnen. Eine freizeit-Leserin wollte von uns wissen, warum manche Menschen das tun. 

Spalte für Spalte?

„Zeitunglesen ist eine Form des Lesens, bei welcher das ganze Gehirn gefordert ist“, heißt es in einer Analyse namens „Literalität des Alltags: Von Scannern, Gehern und Direkteinsteigern“. Die Autorinnen haben hier eine „Typologie von Verhaltensmustern beim Zeitunglesen“ erstellt. Demnach gingen etwa lesende Schüler unterschiedlich vor: Manche überflogen die einzelnen Rubriken, andere arbeiteten sich chronologisch durch. Das Lesen von hinten nach vorne ist in dieser Analyse kein Thema, die Conclusio ist jedoch: Es gibt kein konsequent durchgängiges Verhalten bei der  Lektüre einer Zeitung.
Ornella de Monterecchi,  Protagonistin  im Roman „Die Unperfekten“ von Tom Rachman, begann damit, weil ihr langweilig war: 

Und weil sie nie gelernt hatte, wie man eine Zeitung richtig liest, las sie alles der Reihe nach wie bei einem Buch, Spalte für Spalte, von links nach rechts, eine Seite nach der anderen. Sie las jeden Artikel und fing keinen neuen an, bevor sie den anderen durchhatte, wodurch sie für jede Ausgabe mehrere Tage brauchte.  

Ornella geriet irgendwann in jahrelangen  Rückstand. Das zeigt, wer brav von Seite eins bis zum Schluss vorgeht, wird niemals fertig – was einem  durch die  ungelesenen Papierstapel bald ein schlechtes Gewissen bereitet und die Freude nimmt.

Zeitung lesen mit Übersicht

Psychologe Werner Stangl („Lesen und Lesegeschwindigkeit“, arbeitsblaetter-stangl-taller.at) kennt eine „viel bessere Methode für das Lesen von Informationstexten jeder Art: Überfliegen Sie Ihre Lektüre zuerst. (…) Blättern Sie einfach ein bisschen herum und tauchen Sie selektiv dort ein, wo etwas für Sie interessant ist.“ 
Vielleicht steht  das ja  auf der letzten Seite.

Frage der Freizeit

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

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