Warum schauen Models am Laufsteg immer so gelangweilt?

Die Gesichter der Models sind traurig, grimmig und niemals wird gelächelt. Doch dafür gibt es Gründe.

William Somerset Maugham war ein Mann mit Sinn fürs Schöne. Er besaß eine Villa in Cap Ferrat und eine Gemäldesammlung. Und der Schriftsteller mochte es, auf die feine englische Art immer ein bisschen gemein zu sein.

Seiner Beobachtungsschärfe entkam auch die Modewelt nicht. Eine Voraussetzung für den Beruf des Mannequins, schrieb er in „Schein und Wirklichkeit“, scheint es, eine „hochmütige, verdrossene und kühl gleichgültige Haltung zu bewahren.“ Schwebt das Modell heran und dreht sich langsam am Laufsteg, vollführe es das „mit einem Ausdruck der Verachtung für das Universum, wie es sonst nur vom Kamel erreicht wird.“

Katalog oder Kunst?

Das war 1959, geändert hat sich nichts. Die Models schauen am Laufsteg immer noch so, als hätte ihnen morgens jemand in den Kaffee gespuckt. Miesepetrig und übel gelaunt. Dabei sollte Maugham noch jene Vorführdamen erlebt haben, die bis in die Fünfzigerjahre Mode präsentierten: fröhlich, lachend, teils tanzend. Aber eben auch: brav. Bieder. Kommerziell. Hausfrau statt Haute Couture.

„Lächeln ist nicht Avantgarde“, meinte Wolfgang Joop einst schnoddrig. Er hat Recht: Das heitere Ranschmeißen an den Kunden im Katalog passt nicht zur High Fashion. Zudem wären viele der überwutzelten Stoffgewitter à la Paris mit einem Grinse-Model gar nicht denkbar. Sie würden sich zu einem Witz konterkarieren. Also heißt es: Bitte zurücktreten, ernste Miene, hier gibt es Kunst zu sehen.

Cindy durfte lächeln

Auch Emanzipation, heißt es, bilde der Verzicht auf Heiterkeit ab. Keine lächelnden Püppchen mehr! Designer wie Yohji Yamamoto verordneten ihren Models mitsamt einem androgynen Erscheinungsbild eine ausgesprochene Null-Mimik: blass bis böse.

Supermodels wie Cindy Crawford oder Claudia Schiffer durften diesem Look in den Neunzigern zwar entgegen wirken. Selbst Stars, mussten sie ihren Flair nicht zähmen. Doch seitdem ist es wieder düster. Motto: Ein Lächeln lenkt ab. Und im Mittelpunkt soll die Kleidung sehen. Es überraschte also, als Giorgio Armani seine Models in Mailand dieses Jahr fröhlich lächelnd auf den Laufsteg entließ. Ausnahme oder neuer Trend?

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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