Warum lieben die Menschen Glitzer so sehr?

Vom Paillettenkleid bis zur Discokugel: Warum uns Glitzer magisch anzieht und was unsere Ahnen damit zu tun haben.

Silvester muss glitzern! Da mögen uns die vermaledeite Teuerung und die verflixte Inflation noch so sehr die Butter vom Brot nehmen. Wenn früher mehr Lametta war, setzen wir dem ernüchternden Status quo erst recht ein funkelndes Statement entgegen. Trotzig sein kostet nix und so feiern wir das Leben: Mit Prickeln im Glas und materialisiertem Feenstaub. 

Der macht sich zur Jahreswende bevorzugt auf Kleidung bemerkbar. Frauen kramen die Paillettenkleider hervor. Oder tragen  handgestickte Sternenhimmel am Minikleid wie jüngst Taylor Swift. Gold, Silber, Strass, Metallic – Glitzer ist Glamour und das nicht bloß zu Silvester: In der Festsaison darf jeder dem Bling-Bling frönen, auch wer übers Jahr nur Kapuzenpulli trägt. Männer benötigen dafür Mut. Dann greifen sie vielleicht zum goldig schimmernden Hemd. Oder verzehren sich eben nach einer verführerisch funkelnden Goldmarie.

Glitzern, ein Überlebensinstinkt

Denn gleich ob Diamant, Discokugel oder Bergsee: Alles was glitzert, zieht uns magisch an. Sobald Licht an vielen Stellen einer Oberfläche spiegelnd reflektiert wird, sind wir fasziniert. Bereits Menschen malten in der Steinzeit ihre Höhlen mit dem schimmernden Mineral Glimmer aus. Die Mayas ließen ihre Tempel zu festlichen Anlässen dank Muskovit erstrahlen. Cleopatra mischte ihr Make-up mit dem Glanz zermahlter Käferpanzer an. Und im Mittelalter schmückte man sich mit eingewebten Goldstreifen. 

Den Grund für diese Begeisterung fand der Psychologe Richard Coss heraus. Er stellte fest, dass glänzende Oberflächen bei Kleinkindern orale Reflexe auslösen. Ein evolutionärer Reflex: Wer das Glitzern von Trinkwasser bemerkte, sicherte sein Überleben. Auch die Marketingforscherin Vanessa Patrick erforschte einen Zusammenhang zwischen Glitzermagie und Flüssigkeitsaufnahme. Die Faszination am Funkeln als eine Art Durst. Ein Naturinstinkt.

Als 1934 der industriell herstellbare „Glitter“ (kleine Plastikpartikel, ideal als Make-up einsetzbar) erfunden wurde, wurde dieser Durst gut gestillt. Am schönsten ist Glitzer dennoch in der Natur: Als Licht, das sich am Wasser des Meeres bricht oder durch ein Blätterdach dringt. Besser als jedes Paillettenkleid.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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