Warum kommt Gegenverkehr immer da, wo die Straße am engsten ist?

Fragen der Freizeit ... und Antworten, die euch überraschen werden.

Anspruchsvolle Landstraße, tolle Aussicht, gutes Fahrgefühl und bis zum Horizont kein anderes Auto in Sicht. Dann taucht weit weg eines auf, kommt langsam auf uns zu – und ausgerechnet an der engsten Stelle, da wo man Angst hat, in die malerische Klamm zu stürzen, wenn man nur einen Zentimeter weiter rechts fährt, kommt es zur Begegnung mit dem einsamen Gegenverkehr.

Oder: Schmale Wohnstraße, genau ein Auto parkt vor einem Haus. So sicher wie das Amen im Gebet, kommt, wenn er kommt, der Gegenverkehr aber punktgenau dort, wo dieses Auto steht, auf uns zu.

Die Sache lässt sich noch erweitern, weil das Phänomen auch vor dem Zufußgehen nicht halt macht: Prinzipiell wenig los auf dem genügend breiten Gehsteig. Eine gestresste Mama bleibt stehen und macht „tütütütü“ ins Innere eines überdimensionalen Kinderwagens. Man kann beinahe seinen Kopf drauf verwetten, dass der schwitzende, spuckende Jogger einem genau an dieser Engstelle begegnet. Oder der Typ, der mit seinen beiden an der Waldorfschule erzogenen Hunden an der langen Leine unterwegs ist und  gerade ein wichtiges Handygepräch führt und vor lauter Lässigkeit kein Auge für Viecher, Kinderwagen oder Gegenverkehr übrig hat.

Warum nur? Warum passiert das? Gibt es da eine mathematische Formel dafür, irgendeine Wahrscheinlichkeitsrechnung der denkbar unangenehmsten Situationen?

Nein, sagt die Psychologie. Denn das Problem ist nicht der Verkehr, sondern unser Gehirn. Die Kiste nennt sich „Negativity Bias“ und sagt aus, dass wir uns negative Erlebnisse viel besser und länger merken, als die vielen kleinen positiven, die wir für selbstverständlich halten. Also die Male, die wir ohne Gegenverkehrsproblem auf der Gebirgsstraße fahren und mit niemandem auf dem Gehsteig zusammenstoßen ... 

Unsere angeborene Mieselsucht ist aber nicht nur negativ. Laut einer Studie von Evolutionsbiologen an der Uni Bern hat uns diese Eigenheit im Laufe der Menschheitsgeschichte sogar geholfen. In ihrem Computermodell „überlebten“ die Organismen, die sich negative Ereignisse merkten, während die nachsichtigen nach einigen Generationen „ausstarben“. „Die beste Strategie in unserem Versuch war es, sich negative Erlebnisse zu merken“, so Projektleiter Daniel Rankin. Okay, wird gemacht!

Frage der Freizeit

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Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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