
Die "falsche" Vier auf dem römischen Zifferblatt: Was steckt dahinter?
Heute schon auf die Uhr geschaut? Vielleicht auf die Kirchturmuhr in Ihrem Bezirk? Hat sie ein römisches Zifferblatt, dann lohnt sich ein zweiter Blick.
Manchmal, wenn man die Augen vom Handy hebt, macht man erstaunliche Entdeckungen. Zum Beispiel die Sonnenuhr der Hofburg aus dem 17. Jahrhundert auf der Seite des Franzensplatz.
Majestätisch prangt sie über den Köpfen der Menschen. Aber Moment mal! Das römische Zifferblatt der darüber liegenden astronomischen Uhr aus dem 16. Jahrhundert zeigt "IIII" statt "IV". Ein Fehler? Ein Fall für den Denkmalschutz? Keineswegs.
Egal, ob Turm- oder Armbanduhr – wo römische Zahlen sind, steht meist die "falsche Vier". Für Thomas Schmolek, Uhren-Experte vom Dorotheum in Wien, eine ästhetische Entscheidung: "Als man anfing, römische Zahlen auf Zifferblätter zu schreiben, hat man sich für die Stricherln entschieden, weil das schöner ausschaut." Klingt plausibel.
Links die wuchtige "VIII", rechts ein spindeldürres "IV"? Wo bleibt da die Balance. Symmetrie zählt, "IIII" gewinnt. Doch es gibt unterschiedliche Theorien und Legenden. Eine besagt, man wollte Jupiter, den obersten Gott der römischen Religion, nicht erzürnen. Sein Kürzel? "IV" – phonetisch "JU". Und seinen Namen einfach so zwischen banale Zahlen quetschen? Keine gute Idee. Also lieber "IIII".
Andere Überlegungen betonen die bessere Lesbarkeit – vier Striche versteht jedes Kind, aber "IV"? Da muss man schon rechnen: V (5) minus I (1). Und dann wäre da noch König Karl V. von Frankreich. Der soll der Legende nach die IV verboten haben. Warum? Weil sie seinen Herrschertitel mathematisch in Frage stellte, von seiner V darf nichts abgezogen werden, das wäre kein gutes Omen.
Tabea Rude, Kuratorin vom Wiener Uhrenmuseum, bestätigt, dass es keine eindeutige Theorie zur "IIII" gebe, macht uns aber auf eine der ältesten funktionierenden mechanischen Uhren der Welt aufmerksam. Es ist die astronomische Uhr der Kathedrale von Wells in England, die Ende des 14. Jahrhunderts gebaut wurde und auch unsere "falsche Vier" verwendet. Man ahnt es schon: Bei der "Wells Cathedral Clock" ist es nicht sicher, ob sie die erste ihrer Art ist, die diese Darstellung der Vier nutzt. Und so bleiben uns lauter tickende Rätsel in der schönen Welt der Uhren.
Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.
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