Man at the sunrise

Besser alleine feiern? So landete ich bei einem Oscarpreisträger

Ich habe es getan. Um ehrlich zu sein, in letzter Zeit tue ich es sogar immer öfter - ich "date" mich selbst. Dadurch stand ich plötzlich mit einem Oscarpreisträger auf der Bühne.

Ich bin der Typ, der es immer abhängig davon gemacht hat, ob jemand meiner Freunde Zeit hat, um irgendwo hinzugehen und etwas zu unternehmen. Aufgrund der vollen Terminkalender meiner Kumpel habe ich dadurch aber etliche Dinge verpasst, die ich eigentlich gerne erlebt oder gesehen hätte.

Kaum hatte keiner Zeit, habe ich mich zu Hause verschanzt und den Tag ereignislos an mir vorbeiziehen lassen. Das musste sich ändern! Deshalb habe ich beschlossen, bewusst Dinge alleine zu unternehmen und mich dadurch ein wenig von anderen abzukapseln - für viele in meinem Alter (ich bin 30), eine absolute Horror-Vorstellung. Was ich dadurch erleben würde, hätte ich vorher nie geahnt.

1. Date mit mir selbst: Handylos aus dem Haus

Um unabhängiger von meinen Freunden zu werden, musste ich erst mal klein starten: Ein Nachmittag alleine vor der Tür und das ohne Handy. Klar war ich schon öfter alleine draußen - aber wenn ich darüber nachdenke, saß ich dann meistens mit dem Smartphone herum und habe erst recht mit meinen Freunden geschrieben. Ich lebe ehrlich gesagt so sehr in meinem Display, dass ich komplett überfordert bin, sobald ich mal keinen Akku habe oder es mal keine Nachricht zu lesen gibt. Auch ein Buch sollte mich nicht vom Date mit mir selbst ablenken.

Ich bin durch meinen Bezirk gegangen und habe mir die fertigen Bauten angeschaut, die durch die ewigen Baustellen der letzten Monate entstanden sind. Ich habe mir ein Eis geholt und mich auf eine Parkbank auf der Straße gesetzt. Anfangs war es bisschen ungewohnt, nicht aus der Hosentasche mein iPhone herausholen zu können. Teilweise hatte ich innerlich auch eine seltsame Angst, ich könnte gerade einen total wichtigen Anruf verpassen. Das ging dann aber eigentlich schneller vorbei als gedacht. Beim Leutebeobachten ist mir aufgefallen, wie wenige eigentlich bewusst durch die Gegend schauen. Alle Vorbeigehenden waren dieselben Screen-Zombies wie auch ich sonst, und starrten nur auf ihr Telefone.

Smartphone-Zombies. (Symbolbild)

©Getty Images/filadendron/IStockphoto.com

Interessant: Nicht die Pensionisten, die an mir vorbeigingen. Auffälligerweise blickte mir jeder von ihnen freundlich in die Augen und grinste mich aufmerksam an. Beim Weg zurück in meine Wohnung musste ich öfter über den Gedanken schmunzeln, wie schlimm ich mir das alles eigentlich vorweg vorgestellt hatte und wie entspannend die letzten Stunden meiner Handy-Auszeit schlussendlich waren.

2. Date: Allein im Club

Ich liebe sie alle, aber manche meiner Kumpel können unfassbare Suderanten sein. Die Tatsache, dass ich in den letzten Jahren weniger in Clubs unterwegs war oder kaum mehr Bars besucht habe, ist großteils ihnen geschuldet. Denn wenn ich was mit ihnen unternehmen wollte, dann waren sie zu müde von der Woche, sie hatten keine Lust auf fremde Menschen oder die Musik könnte ihnen zu laut sein. Da ich selbst aber eigentlich vom Naturell kein Stubenhocker wäre, hab ich mein Experiment aufs nächste Level gebracht - für mein zweites Date bin alleine feiern gegangen.

Aufgetakelt im schicken schwarzen Hemd stand ich in der Warteschlange vor einem bekannten Wiener Club. Die Situation kannte ich so schon, da ich bereits öfter nachgekommen war, als meine Freunde bereits im Club auf mich warteten - diesmal wartete jedoch niemand. Drinnen angekommen stand ich mich erst mal verunsichert an die Bar. "Was für eine dumme Idee? Dieser Abend kann nur ein Reinfall werden", schoss mir sofort durch den Kopf.

Dann quatschte mich die Kellnerin an und wir kamen ins Gespräch. Ich weiß nicht, ob ich ihr so sympathisch war oder ihr leidtat, weil sie gemerkt hatte, dass ich ohne Begleitung war. Irgendeinen Eindruck dürfte ich jedoch hinterlassen haben, denn plötzlich gab sie mir eine Runde nach der anderen aus. Ich hatte schnell einen sitzen und musste an dem Abend außer dem Eintritt keinen Cent dafür ausgeben.

Clubbing mal anders: Ich war alleine fort. (Symbolbild)

©EPA/MICHAEL BUHOLZER

Bei Clubbesuchen mit meinen Freunden spreche ich meist nur mit ihnen. Deshalb war ich oft der Meinung, ich wäre schüchtern und würde mir schwer dabei tun, neue Leute kennenzulernen. Tatsächlich habe ich an diesem Abend aber unglaublich viele coole Leute kennengelernt. Ständig quatsche mich jemand an und auch ich war ungehemmter, da ich auf mich allein gestellt war. Die Hürde, allein auf die Tanzfläche zu gehen, war ebenfalls dann halb so wild, als ich es vorweg dachte. Ich hatte seit Langem mal wieder richtig getanzt und der Musik zugehört, als ständig irgendwen meiner Freunde zu suchen, mit ihnen von einer Ecke zur anderen zu rennen oder ihren Wünschen nach einem Aufriss zuhören zu müssen. Der Abend war tatsächlich lustiger, als viele in Begleitung.

3. Date: Mit Jared Leto auf der Bühne

Seit Monaten wollte ich auf das "30 Seconds To Mars"-Konzert, aber ich hatte niemanden gefunden, der sich mir anschließen wollte. Am Tag des Konzertes ärgerte ich mich immens, dass ich nicht hingehen würde. Aber warum eigentlich nicht? Das war der perfekte Ort für mein Date Nummer 3.

Ich öffnete Social Media und machte mich auf die Suche nach Fans, die ihre Tickets verkaufen wollten. Schnell wurde ich fündig. Am Weg zum Konzert hatte ich keine Vorstellung, ob ich allein auf einem Konzert wirklich Spaß haben werde. Bei der Halle angekommen, ging es dann auch recht rasch los. Ich stellte mich an die Seite, hatte perfekten Ausblick und endlich mal niemanden bei mir, der ständig aufs Klo muss oder mich bei jedem guten Lied zur Bar schleppen will.

Das Konzert war großartig und Frontman Jared Leto in Höchstform. Ich tanzte herum, grölte meine Lieblingssongs mit und habe auch nach kürzester Zeit nicht mehr darüber nachgedacht, dass ich eigentlich mit niemandem dort war.

Auf einmal steuerten zielorientiert eine Herde Mädels auf mich zu. Ohne mich wirklich wehren zu können, kam ich inmitten der Gruppe, die mich mit sich herumdrängte. Nach einigem Herumwirbeln zog mich jemand ruckartig und kräftig am Arm. Als ich aufblickte, bemerkte ich, dass mich ein Security beim Seiteneingang hinter die Bühne zerrte. Verwirrt stand ich nun da und wusste nicht, wie mir geschieht.

Darf ich hier sein? Der Mitarbeiter des Konzerts klärte mich auf, dass ab einem bestimmten Moment des Konzerts immer einige Fans auf die Bühne dürften und deshalb die Horde kreischender Fans auf mich zugelaufen kam. Statt ihnen war aber ich der Glückliche, der die letzten Songs beim "Texas Buyers Club"-Darsteller auf der Bühne verbringen durfte. Eine unvergessliche Erfahrung, die ich wohl mit einer Begleitung nicht so erlebt hätte.

Fazit: Allein, aber nicht einsam

Die meisten von uns waren durch Lockdowns und Pandemie öfter sicher selbst überlassen - keine Frage. Sich aber bewusst dafür zu entscheiden, war dann etwas anderes. Ich dachte vorweg, Dinge alleine zu unternehmen, wäre langweilig oder gar unangenehm. Tatsächlich habe ich viel mehr wahrgenommen und unvergessliche Dinge erlebt. Außerdem habe ich einiges über mich selbst erfahren.

Tatsächlich mach ich mittlerweile viele Dinge lieber alleine. Shoppen zum Beispiel finde ich absolut angenehmer ohne Begleitung. Ich bin schneller durch, gehe gezielt in meine Läden und brauche dabei nicht ständig irgendwen Suchen, der sich im Geschäft-Labyrinth verlaufen hat. In Zukunft werde ich nicht mehr abhängig machen, ob jemand anderer Zeit hat. Bald spielt es einen Film, den viele meiner Freunde nicht sehen wollen, und ich sehe mich deshalb demnächst allein im Kinosaal sitzen. Ich bin nun von der Dating-Phase in die gesunde Beziehung mit mir selbst aufgestiegen.

Alexander Gutmaier

Über Alexander Gutmaier

Redakteur bei freizeit.at. Der gebürtige Wiener mit dem Spitznamen "Lex" studierte Werbung & Marktkommunikation und machte sich danach auf seinen beruflichen Weg in die großen Redaktionen Österreichs. Dabei war er bereits für Lifestyle- & Mode-Magazine als auch im TV-Bereich tätig. Zu seinen Leidenschaften zählen Musik, Kochen sowie jegliche Art, sich selbst herauszufordern - besonders, wenn er dadurch Dinge zum ersten Mal machen kann.

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