Selbstversuch

Mit 30 Euro in einer Woche leben: Mission Impossible?

Ich habe die aktuelle Teuerung zum Anlass genommen und ausprobiert, ob ich mit 30 Euro sieben Tage lang durchkomme. So lief es.

An allen Ecken und Enden steigen die Preise: Im Supermarkt kostet die Milch plötzlich € 1,59 statt €1,19, der Besuch an der Zapfsäule ist ein einziger Albtraum und man hat schlaflose Nächte wegen der nächsten Gasnachzahlung. 

Grund genug, etwas Geld einzusparen, wo es nicht notwendig ist. Folgende Bedingungen bzw. Regeln vorweg: 

  1. Miete und sonstige Fixbeträge wie Kreditrate, Strom- oder Handyrechnung sind nicht im Experiment enthalten.
  2. Ziel ist es herauszufinden, wieviel Geld man im Alltag verbraucht - und wie man diese Kosten möglichst niedrig halten kann.
  3. Wie viel der täglichen Ausgaben sind unnötig, welche unverzichtbar – und kann man trotz geringen Budgets einen gewissen Lifestyle pflegen?

Um den Unterschied zum normalen Alltag aufzuzeigen, sollte man zuerst das übliche Verhalten analysieren. Bei mir sehen die Ausgaben in etwa so aus:  

Der Ist-Zustand

Lebensmittel und sonstige Nahrungsaufnahme

Montags bin ich im Homeoffice, wo keine Essenskosten anfallen. Dafür macht der Supermarkt-Einkauf für die Woche mindestens 30 Euro aus. Ich gehe vier Mal in einer Woche mit meinen Kollegen in der Kantine essen, dafür gebe ich im Schnitt 7 Euro aus. Zusätzlich gibt's Getränke, Kaffee und Snacks aus dem Supermarkt (ca. 6 Euro pro Bürotag). 

Freunde treffen und auswärts essen

Treffen mit Freunden und Afterworkdrinks stehen bei mir im Schnitt einmal die Woche an, hier bin ich sparsam und komme mit 15 Euro aus. Das wöchentliche Date mit dem Liebsten geht allerdings mehr ins Budget und schlägt sich mit ca. 30 Euro nieder.

Dazu kommen in unregelmäßigen Abständen Theaterbesuche (ca. 20-30 Euro), Maniküre (31 Euro), Hundefutter (25 Euro), Tanken und Waschstraße (100 Euro im Monat), Drogerie-Einkäufe (20 Euro / Woche) oder unnötiges Shopping von Kleidung, Tech-Gadgets oder Make-up im Wert von ca. 60 Euro. Als ob ich nicht genug zu Hause hätte). 

Die wöchentlichen Ausgaben für Essen und Ausgehen liegen bei 97 Euro. Die unregelmäßigen Ausgaben teile ich einfach durch 4, um auf einen Wochenschnitt zu kommen, macht ca. 65 Euro pro Woche. 

Rechnet man mein Konsumverhalten auf ein Monat hoch, sieht die Rechnung bitter aus: 650 Euro für - ja was eigentlich? Es fühlt sich nicht so an, als hätte ich mir in letzter Zeit irgendwelche tollen Sachen gekauft. Hier MUSS es Einsparpotential geben!

Ich erlaube mir, bereits vorhandene Vorräte in mein Experiment einzubeziehen. Immerhin geht es auch darum, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden und produktiver zu planen. Gemeinsame Einkäufe mit dem Freund budgetiere ich zu 50 Prozent ein. Glücklicherweise rauche ich nicht - sonst wäre das Experiment von vorn hinein zum Scheitern verurteilt. Los geht's:

Tag 1: Heißes Homeoffice

Der Homeoffice-Tag zu Beginn der Woche ermöglicht mir einen lockeren Start in die Experiment-Woche. Frühstücksvorräte sind vom Wochenende noch vorhanden, außerdem gibt es Reste vom Sonntag zu Mittag. Abends koche ich mir Pasta mit Butter und Kräutern vom Küchenfenster. Leider steigt die Temperatur im Laufe des Tages auf über 30 Grad, daher brauche ich gegen 18 Uhr eine Pause von der Hitze. Ich spaziere durchs Servitenviertel, leider ist es draußen noch heißer. Ein Eis wäre jetzt genau das richtige, also rein in den Spar. Bilanz Tag 1: Ein Magnum Mandel um 2,50 Euro.

Tag 2: Kleiner Großeinkauf

Morgens besorge ich mir die Lebensmittel, mit denen ich den Großteil der Woche auszukommen plane. Ich achte darauf, dass von allem ein bisschen dabei ist: Obst, Gemüse, Käse, Eier, Nudeln. Süßes gibt es nichts (zu teuer), auch auf Fleisch werde ich wohl verzichten müssen. Doch ich habe Glück und erwische ein halbs Kilo Hühnerschnitzel, das um 50 Prozent verbilligt ist. Sollte es mir zu denken geben, dass das Verbrauchsdatum am Vortag war..? Ich schneide das Huhn klein, brate es sofort gut heraus und fülle es in Frischhaltebehälter. Somit sind die nächsten 3 warmen Mahlzeiten gesichert. An diesem Tag gibt es sowohl zu Mittag als auch am Abend Huhn - einmal mit Reis, einmal mit Salat. Perfekt. Bilanz Tag 2: Ein kleiner Einkauf um € 13,80 - somit ist mein Budget bereits am Dienstag zur Hälfte aufgebraucht. Hmmm. 

Das Huhn ist bereits am Vortag abgelaufen, aber ich nutze meine Chance.

©Keplinger

Tag 3: Die Kantinen-Sünde

Immer dieser Gruppendruck - oder ist es mehr die Angst, etwas zu verpassen? Ich habe zwar brav Essen ins Büro mitgenommen (heute gibt's Reis, Huhn und Gemüse in meiner coolen Mepal-Bento-Box). Doch die Kollegen bitten mich so nett, mit in die Kantine zu kommen, dass ich beschließe, mir die selbst gemachte Bento-Box bis zum Abend aufzuheben. (Eigentlich wäre eine kalte Platte mit den letzten Resten Brot und Käse auf dem Programm gestanden). Ich bestelle mir den kleinen, günstigen Teller um € 3,70 und bin trotzdem satt. Doch mir wird schmerzlich klar, dass ich mir diese kleinen Beträge nicht leisten kann, wenn ich bis zum Ende der Woche mit 30 Euro durchkommen will. Meine Kollegin macht mich also auf "Too good to go" aufmerksam. Dabei handelt es sich um eine App, mit der man aus Supermärkten, Bäckereien und Restaurants in der Umgebung für ein paar Euro Lebensmittel vor dem Müll retten kann. Abends sitze ich auf der Couch und sehe, dass ich morgen Abend ein "Überraschungssackerl" vom Spar holen kann. Lebensmittel im Wert von 15 Euro sind versprochen, zahlen muss man nur 5. Ich bestelle also vor, backe aber sicherheitshalber noch einen Laib Brot für die nächsten Tage. Mehl und Sauerteig habe ich immer auf Vorrat, somit kostet mich dieser Spaß aktiv nichts. (Die Stromkosten für den Herd ignoriere ich einfach. Wie sagte schon Oscar Wilde: "Ignorance is a delicate, exotic fruit. Touch it, and the bloom is gone." Bilanz Tag 3: Kleiner Teller in der Bürokantine um € 3,70

Tag 4: Überraschungssackerl

Es ist Donnerstag, mein erster Frühdienst der Woche, der um 8 Uhr startet. Mein Wecker ist zwar für 6 Uhr gestellt, aber ich wache erst eine halbe Stunde später auf. Wie von der Tarantel gestochen, springe ich aus dem Bett: Wie soll sich das Meal-Prepping jetzt ausgehen? Schnelle Katzenwäsche, und ich werfe den Herd an, um mir mal wieder Pasta zu machen. Trotz allem komme ich komplett abgehetzt eine halbe Stunde zu spät ins Büro und stelle fest: Wenig Budget bedarf guter Planung. 

Abends ist es dann so weit: Ich hole mein erstes "Too good to go"-Überraschungssackerl ab - und werde enttäuscht. Statt den versprochenen 15 Euro Warenwert komme ich nur auf 12 Euro - und zwei Dinge sind für mich uninteressant: Ein Feigenkuchen (irgendwie süß, irgendwie nicht, trotzdem Tonnen an Kalorien) und das Brot (wozu habe ich am Vorabend eins gebacken!?). Wenigstens ist wieder Fleisch dabei, außerdem gibt's eine Avocado und ein trockenes Laugenkipferl. Kein Obst, kein Gemüse. Das Brot schneide ich in Scheiben und friere für harte Zeiten ein. Bilanz Tag 4: "Too good to go" Überraschungssackerl vom Spar um € 5,-

Tage 5 & 6: Schlaraffenland

Fünf Euro sind für die letzten 3 Tage noch übrig. Ich erzähle der Kollegin, dass "Too good to go" ein Reinfall war und ich die 30-Euro-Grenze nicht schaffen werde. "Probier's nochmal, aber geh diesmal zu Hofer." Und tatsächlich! Als ich abends meine Kiste um 4 Euro abhole, freue ich mich wie ein Schneekönig: 

Fette Ausbeute: Die Restl-Kiste von Hofer ist vollgefüllt mit tollen gesunden Sachen - und das für nur vier Euro.

©Keplinger

Die Kiste ist so voll, dass ich unterwegs einige lose Erdäpfel verliere. Der Inhalt: 2 Packungen Weintrauben, 1 Packung Zwetschken, 2 Bananen, 4 Bio-Limetten, 3 Bio-Zitronen, 2 Zucchini, etliche Tomaten, zwei Paprika, ein aufgeschnittenes Brot (schon wieder!), Äpfel, ein großer Salat und sogar ein Glas Haselnusscreme. Jackpot! Tags darauf gibt's ein herrliches Zwetschkenmüsli, zu Mittag Gemüsepfanne mit grünem Salat, abends Zitronenpasta und für den Liebsten geht sich sogar ein Erdäpfelauflauf aus. Da wir alleine die ganze Kiste nicht aufbrauchen können, weil wir für Sonntag Theaterkarten in Melk haben, bringe ich meiner Mutter den Überschuss. Bilanz Tag 5 & 6: Hofer-Kisterl um 4 Euro

Tag 7: Theaterbesuch ohne Budget

Der Tag startet mit einem Obstsalat, den ich schon am Vortag zubereitet hatte, zu Mittag werden wieder Erdäpfel und Gemüse aus dem Hofer-Kistl verkocht. Doch ich weiß: Mit einem letzten Euro Budget wird sich der Tag nicht ausgehen. Der Liebste und ich sind nämlich zum Theaterabend in Melk. Der Tickerpreis: 18 Euro, aber ich schummle und zähle sie nicht ins Budget, da ich die Karten schon vor Wochen gekauft habe. Sie zählen also zu den Reserven. Auch das Auto ist bereits vollgetankt und wird nicht einkalkuliert. Da wir zwei Freunde aus Wien mitnehmen, bedanken sie sich für die Fahrt mit einigen Runden Radler vor Ort. Noch steckt der letzte Euro in meiner Tasche, so wie der Rest vom Obstsalat vom Morgen. 

Der Obstsalat für unterwegs sollte schlussendlich nicht gegessen werden. Der gute Wille zählt.

©Keplinger

Der Obstsalat hat sich dank dem Mepal Fruitpot mit Gabel zwar gut gehalten, aber als alle anfangen, von der Pizzeria in der Nähe zu schwärmen, vergeht mir die Lust auf Gesundes. Ich will Pizza. Sofort.

Zwar bin ich auch im Restaurant relativ sparsam (ein Soda-Zitron und eine geteilte Pizza), trotzdem kostet mich der Abend zehn Euro. Ich gebe mich geschlagen. Bilanz Tag 7: Halbe Pizza + Getränk um 10 Euro (nicht mitgerechnet sind Diesel fürs Auto und die Theaterkarten)

30 Euro pro Woche: Fazit

Insgesamt habe ich 39 Euro ausgegeben - und die Mission wäre zu schaffen gewesen, hätte mich die Lust am letzten Tag nicht übermannt. Trotz allem muss man zugeben: Mit so wenig Budget lässt es sich nur schwer über die Runden kommen. Ohne Vorräte wäre es nicht gegangen, außerdem standen keine Drogerie-Artikel auf der Einkaufsliste (Klopapier, Zahnpasta, Seife, etc.). Ans Auswärts-Essen ist ebenso wenig zu denken wie an den Konsum von Kultur: Reguläre Theaterbesuche, Konzerte und Bücher sind nicht budgetierbar. Umso wichtiger ist das vielfältige Kulturprogramm der Stadt Wien, das man gratis nutzen kann (man denke an die Bücherkästen oder den Kultursommer). 

Wobei ich bleiben werde

Das Konzept von "Too Good To Go" ist wirklich gut und wird weiterhin genutzt. Man kommt aber nicht drumherum, weitere Lebensmittel beim regulären Einkauf zu ergänzen. Trotzdem lässt sich hier eine Menge einsparen. Auf gute Gastro will ich in Zukunft nicht verzichten (zumindest nicht, solange ich sie mir noch leisten kann). Doch durchschnittliches Kantinen-Essen muss nicht täglich sein. Meal Prepping hat den Vorteil, dass man sich viel bewusster und gesünder ernährt und dabei auch noch Geld spart. Die Investition in einige gute, dichte Behälter lohnt sich. 

 

Sandra Keplinger

Über Sandra Keplinger

Seit Sommer 2021 im KURIER Medienhaus, zuerst als Digital Producer für die Freizeit, jetzt im Audience Development tätig. Sie arbeitete als Foto- und Modechefin beim WIENER, schrieb über das Mode-Business in der DIVA und war CvD bei Falstaff.

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